Pilzkultur aus dem Computer

Das MAKK zeigt in einer klugen Ausstellung,

wie sich das Bauen mit standardisierten Einzelteilen entwickelt hat.

Die Plaza de la Encarnación ist ein weiträumiger, ruhiger Platz in der Altstadt Sevillas, der seit April 2011 ein atemberaubendes Wahrzeichen besitzt. Nach einem Entwurf von Jürgen H. Mayer wurde dort die Skulptur »Metropol Parasol« aus sechs begehbaren Pilzen errichtet, in denen ein Museum, Restaurants und eine Panoramasteg untergebracht sind. 

 

Es ist eins der spektakulärsten Beispiele aus der Ausstellung »Architekturteilchen. Modulares Bauen im digitalen Zeitalter«. Gefertigt wurde die Pilzkultur nämlich aus 3000 mit Polyurethan überzogenen Holzteilen, die anschließend nach einem Baukastenprinzip zusammengesetzt wurden. Die Ausstellung geht diesem Verfahren historisch und unter dem Gesichtspunkt der Werkstoffe Holz, Stein, Metall und Kunststoff nach. 

 

Man muss viel lesen in dieser Ausstellung, aber es lohnt. Immer wieder werden überraschende Wissensschneisen geschlagen. Während im Unterschoss spektakuläre Modelle aufgebaut sind, werden von Stockwerk zu Stockwerk die Baustoffe abgearbeitet. Und da ist der Weg von einer Holzhütte aus dem Paläolithikum zu der Mannheimer Multihalle des Architekten Frei Otto von 1974/75 gar nicht mehr so weit.

 

Oder von der Erfindung des Betons in der Antike über die industrielle Fertigung der schönen Wohnkuben »Habitat 67« in Montreal – bis zur Erforschung von Computerprogrammen für die Erstellung von nicht rechtwinkligen Betonelementen durch das Danish Technological Institute: Langweilige Orthogonalität ist eben auch ein Produkt der Standardisierung des Bauens. 

 

Der Einsatz von neuen Werkstoffen ist aber auch eine Frage der Fertigungstechniken: Erst die industrielle Eisen- und Stahlproduktion ermöglichte den modernen Brückenbau oder die völlig aus Metall erbaute St. Stefanskirche in Istanbul (1892/98). Ganz zu schwiegen von den spacigen Kunststoff-Wohnwaben der 60er Jahren.

 

Faszinierend wird es in der Zukunftsabteilung mit der Gebäudefassade »Crystal Mesh« in Singapur mit Kunststoffelementen und Leuchtstoffröhren oder der irrsinnigen »Flight assembled architecture«, einem Wohnturm für 30 000 Menschen bei Paris, der nur von Robotern erbaut werden soll.

 

Der Einsatz des Computers macht hochkomplexe Architekturen möglich, ebenso kleine Fertigungsserien. Jetzt müssen nur noch die Bauherren mitspielen: Dann könnte das eine der interessantesten Epochen der Baugeschichte werden. Aber welche Epoche hat das nicht von sich behauptet?