Guido Möbius

Spirituals

(Karaoke Kalk/Indigo)

Erscheint am 6.7.

Es spricht einiges dafür, dass das Elektronik-Gefrickel, die Glitch- und Drill-Sounds, die limonadenfröhlichen Pop-Destruktion via Mikrosampling keine Epoche der populären Musik ausfüllen, sondern maximal eine Episode. Zu wenig greifbar, zu technikversessen, merkwürdig fröhlich und einfach nicht existentiell-wuchtig war diese Musik der späten 90er und frühen Nuller Jahre.

 

Der Berliner Produzent (und Musikverleger und PR-Agent und sowieso: Exil-Porzer) Guido Möbius hat jetzt dem Frickel-Pseudogenre ein spätes Meisterwerk vermacht: ein extrem verknotetes Album, dessen Songs – ja, es geht um Songs! – nicht beim Beglotzen des Fragmentarischen und Zersplitterten stehen bleiben, sondern dies zum Ausgangspunkt haben.

 

Die Stücke sind wundersam kleinteilig, die Partikel sind von Möbius aber dermaßen geschickt verlötet, dass aus dem Gewusel, dem Gestotter und Gerumpel eigenartig schillernde, aber sehr starke Songstrukturen erwachsen. Und am Ende stehen: Spirituals. Tatsächlich.

 

Denn Möbius hat seinem Geschredder Texte von ihm unbekannten Gospels zugrunde gelegt und sich von ihrer metaphysischen Ergebenheit inspirieren lassen. Er hat die Texte neu einsingen lassen und die Melodien als Grundlage oder doch zumindest als prägnanten Botenstoff für einen schwungvoll-eleganten Powersound eingesetzt.

 

Damit lässt er das Gefrickel letztlich eben so hinter sich wie er das neokonformistische Songwritertum zwar anpeilt, aber charmant verfehlt. Braucht man noch Namen? Dann ungefähr so: »Spirituals« könnten sich Matmos, Bobby Conn und die Dirty Projectors ausgedacht haben, Akufen hätte es produziert und Mouse on Mars remixt. Klingt nach dem Irrsinn des vergangenen Jahrzehnts. Ja. Aber mit diesem Album ist er erledigt.