Widerstand auf dem Rollbrett

Skater in der DDR: This Ain’t California von Marten Persiel

Berlin Alexanderplatz, Mitte der 80er Jahre: Ein junger Mann mit Minipli rast auf einem Skateboard die Rampe des Fernsehturms herunter, geht in die Hocke, stemmt sich hoch und rollt im Handstand vorbei an verblüfften Passanten und staunenden Hauptstadtbesucherinnen aus Zwi­ckau und Halle.

 

Die Skateboarder auf dem Paradeplatz der DDR sorgten auch bei der diesjährigen Berlinale für Aufsehen, galt die DDR doch bislang nicht als Funsport-Mekka. Regisseur Marten Persiel erzählt von der vergessenen Subkultur und von einer Freundschaft: Dirk, Nico und Denis basteln in ihrer Magdeburger Plattenbausiedlung aus Stuhllehnen und Rollschuhen ihre ersten Boards.

 

Für Denis wird Rollbrettfahren zum Ausbruch aus den starren Strukturen: Vom staatlichen Sportfördersys­tem und seinem Trainer-Vater soll er eigentlich zum Leistungsschwimmer gedrillt werden. Er will aber lieber mit seinen Freunden von selbst gebauten Rampen springen. In Berlin wird er unter dem Namen »Panik« zum anarchischen Gesicht der Skaterszene.

 

Im Arbeiter- und Bauernstaat werden die Skateboarder als westlich-dekadente Sittengefährdung beargwöhnt und von der Stasi beobachtet. Später versucht man den »unorganisierten Rollsport« unter staatliche Oberaufsicht zu stellen. Mit dem »Germina Speeder« entsteht ein volkseigenes Rollbrett, Skater sollen zu »Übungsleitern« ausgebildet wer­den.

 

Die Freunde verweigern sich weitgehend der bürokratischen Vereinnahmung, dürfen aber dennoch zu einem internationalen Wettbewerb nach Prag. Zurück in Berlin organisieren sie mit West-Skatern eine deutsch-deutsche Meisterschaft. Wegen Widerstands gegen einen Stasimann landet Denis in Bautzen. Die Freunde verlieren sich nach der Wende aus den Augen. Bei Denis’ Beerdigung treffen sich wieder.

 

Aus farbgesättigten Super-8-Aufnahmen, Archivbildern, atmosphärischen Animationssequenzen und Interviewpassagen konstruiert Regisseur Marten Persiel seine Spurensuche. Sprünge, Stürze und Partyszenen angetrieben von Stakkatoschnitten und knalliger Musik – die Reminiszenzen an klassische Skatervideos werden phasenweise redundant. Ansonsten ist »This Ain’t California« amüsant, warm und oft berührend erzählt.

 

Dass Originalaufnahmen mit nachgestellten Szenen zusammengeschnitten wurden, ohne sie zu kennzeichnen, mag allerdings nicht nur Doku-Puristen irritieren. Als Fusion aus Dokumentation und Spielfilm ist »This Aint California« vor allem eine emotional-nostalgische Ode an jugendlichen Freiheitsdrang, der brachiale Beton-Zweckarchitektur zum Spielplatz umfunktionierte. Troy von Balthazars grandios brüchige Coverversion des Adoleszenzklassikers »Forever Young« liefert dazu den ultimativen Soundtrack.