Da bewegt sich was

Die Ruhrtriennale 2012 unter dem neuen Leiter Heiner Goebbels feiert den Tanz

Tanz war bei den bisherigen Ausgaben der Ruhrtriennale zwar vorhanden, aber doch eher am Rand: ein paar Gastspiele im Choreographischen Zentrum PACT Zollverein, in der Jahrhunderthalle forderte mal William Forsythe das Publikum heraus. Bei der ersten Ruhrtriennale von Heiner Goebbels entkommt man dem Tanz nun gar nicht.

 

Ein ganz ungeheimer Tipp für Glückssucher: Anne Teresa De Keersmaeker, die so zartfühlend musikalisch choreographiert wie kaum jemand. Sie setzt »Cesena« und »en atendant« mit ihrer Company ROSAS in den realen Sonnenauf- und untergang über der Jahrhunderthalle.

 

Bei der Französin Mathilde Monnier erleidet ein Berg Schaum seine (mäßig interessante) Vergänglichkeit in »Soapéra« und gebiert glitschige Tänzer; das Paartanzpaar ihres »Twin Paradox« kämpft noch aktiv gegen die Hinfälligkeit an. Boris Charmatz erinnert mit dem inszenierten Übergang von Erstarrung zu Lebendigkeit an die Kindheit: »enfant«. Laurent Chétouane schaut zurück auf die tanzhistorische Erschütterung des »Sacre du Printemps«. 

 

Das ist noch lange nicht das Ende des Tanzes. Auch im neuen, großen Ruhrtriennale-Kapitel  Performances treibt er sich herum und zeigt sich damit als am wenigsten beharrende Kunstform: in den Videoarbeiten »Current«, welche die Israelin Michal Rovner in der unheimeligen Mischanlage der Zeche Zollverein installiert; und im Labyrinth der »12 Rooms« im Folkwang-Museum, wo Künstler wie Xavier Le Roy oder Marina Abramovic herumgeistern.

 

Selbst das Schauspiel ist vor Choreographen nicht sicher: In Jan Lauwers’ »Marketplace 76« verkörpern die Tänzer der Needcompany Rollen, und das Zürcher Theater Hora engagierte den französischen Choreografen Jérôme Bel als Regisseur fürs »Disabled Theater«. Die Ruhrtriennale beauftragte einen Choreografen sogar für eine Musiktheaterproduktion, Carl Orffs »Prometheus«: den Samoaner und Spezialisten fürs Rituelle Lemi Ponifasio, der inzwischen auch Mitglied der Kölner Akademie der Künste der Welt ist.

 

»Theater kann eben so viel mehr sein: eine Vielfalt von Eindrücken aus Bewegungen, Klängen, Worten, Räumen, Körpern, Licht und Farben. Und mit diesem ›mehr‹ kann das Theater uns vielleicht gerade da berühren, wofür uns (noch) die Worte fehlen«, schreibt Heiner Goebbels im Editorial. Solches Ahnen, wie Pina Bausch es nannte, lebt im Tanz. Sehr präzise – als schönes Paradox.