Feridun Zaimoglu

Feridun Zaimoglu, geboren 1964 in der Türkei, lebt seit mehr als 30 Jahren in Deutschland, seit 1985 in Kiel, inzwischen deutscher Staatsbürger. Er studierte Kunst und Medizin, war Kolumnist für Die Zeit und Spex. Der Schriftsteller und Drehbuchautor erhielt 1997 den civis Hörfunk- und Fernsehpreis für »Deutschland im Winter – Kanakistan. Eine Rap-Reportage«. Sein Buch »Kanak Sprak« wurde als Hörspiel produziert und mehrmals für das Theater bearbeitet. »Abschaum« wurde von Lars Becker mit dem Titel »Kanak Attack« fürs Kino verfilmt. Mit »Liebesmal, scharlachrot« veröffentlichte er 2000 seinen ersten Roman, sein neues Buch »German Amok« erscheint im Herbst 2002.

 

Es fällt mir kein wirklich guter Grund ein, der mich bewegte, für Rot-Grün zu votieren. Bei einem Machtwechsel wären auf einen Schlag aus dem Pool grüner Politdarsteller ein Haufen von Erziehern und Theatertherapeuten arbeitslos. Sie würden es nicht besser verdient haben. Die Dominanzbrumme Claudia Roth kann mich mit ihrem verheulten Bernsteincollier-Feminismus mal gerne haben: Mops bleibt Mops, da hilft auch kein Frauenbonus. Man muss es einfach aussprechen: Diese Leute haben ihre Ideale verraten, und man sieht es ihnen an. Die Unterwerfung unter die Staatsdoktrin lässt sich eben nicht wegkuscheln oder gar mit engen Gestaltungsräumen und Sachzwängen entschuldigen. Der gnadenlose Opportunismus ist ein Essential des grünen Parteistatuts. Wer sich ändere, bleibe sich treu, heißt es – so als wäre jeder, dem die 100-Prozent-Anpassung über die hohe Ekelschwelle geht, ein Blödmann aus dem Fundi-Lager.

Diese Maxime aller Schmierlappen wird besonders bei Otto Schilly bemüht. Der Mann hat es geschafft: Er schaut drein wie ein gnatziger Söldnerwerber, und würde sich sein Passfoto irrtümlicherweise auf einem Fahndungsplakat wiederfinden, wüsste man zu bemerken, dass der Fanatismus die Gesichtszüge eines Menschen fast immer entstellt. Vom Bürgerrechtsanwalt zur Kneifzange der Sozis, das ist wahrlich eine tolle Karriere, die Biografie eines Unbestechlichen, als der sich Herr Schilly ausweist, ist es nicht.

Stoiber, der legas-thenische Reaktionär, führt eine Pfeifentruppe aus aufgetauten und altgedienten Kaderfunktionären an. Er verklärt den Bund seiner Mannen zum Kompetenzteam, das grenzt schon hart an Trickbetrug. Kämen die Schwarzen tatsächlich an die Macht, hätte man beispielsweise die Ostzonenpeggy Merkel am Hals. Was will sie, wofür steht sie, und was soll das Ganze? Apropos Deppengetue: ohne FDP kein Regierungswechsel. Der juvenile Exhibitionismus debiler 18-Prozent-Kasper hat nur die Gemüter jener erregen können, die immer noch glauben, Politik habe etwas mit Anständigkeit zu tun. Guido Westerwelle ist bekanntermaßen schwul. Seine minoritäre sexuelle Präferenz hat ihn trotzdem nicht davon abgehalten, den Antisemiten Möllemann elend lange machen zu lassen. Molotow-Möllis Mauldreck-Propaganda zeigte bei den Judenfeinden dieser Republik (25 bis 35 Prozent) Wirkung; im Zuge der Debatte entdeckte man aber auch, dass es den Hanswursten und Lumpen leicht fällt, sich als bürgerliche Demokraten zu tarnen.

Rot-Grün besteht darauf, dass es sich bei der Bundestagswahl um eine Schicksalsentscheidung handele. Natürlich steht Stoiber für Dunkeldeutschland. Natürlich wird sich Beckstein als künftiger Innenminister weniger als sein Vorgänger um die Bürgerrechte scheren. Der kulturkämpferische Gestus ist aber verfehlt. Es sind in den letzten Jahren nicht wenige Kulturmacher zu Schröders Hofschranzen verkommen. Einen Wahlsieg der Schwarz-Gelben wünsche ich mir bestimmt nicht – im Falle einer rot-grünen Niederlage wäre aber endlich Schluss mit Mitte. Man würde die Mitte entsorgen, und sie landete dort, wo sie auch hingehört: im Endlager des Mythenmülls.