Christian Wendling; Foto: Manfred Wegener

»Es gibt Ideologen und Pragmatiker«

Das »Haus der Architektur Köln« engagiert sich für Urban Gardening. Geschäftsführer Christian Wendling im Gespräch über

Brachflächen, Nachhaltigkeit und kölsche Mentalität

StadtRevue: Herr Wendling, das Haus der Architektur Köln (hdak) beschäftigt sich schon länger mit Urban Gardening. Was hat Gärtnern mit Architektur zu tun?

 

Christian Wendling: Wir sind im hdak ja auch der Stadtentwicklung verpflichtet. Urban Gardening ist eine mögliche Antwort darauf, wie man mit Brachen umgeht. Es bietet sich als eine legitime Zwischennutzung an. Der Raum wird dadurch öffentlich nutzbar.

 

Urban Gardening zieht nicht nur Hobbygärtner an, sondern auch Menschen,
die mehr Mitspracherecht und neue Beteiligungsformen fordern.

 

Ja, das richtet auch den Fokus der Öffentlichkeit auf solche Flächen. Es gibt viele Industriebrachen, Militär- oder Bahnanlagen, die umgewidmet werden, da ist eine Diskussion immer sinnvoll. Urban Gardening ist dann auch ein Türöffner, um öffentlich über die Zukunft und die optimale Nutzung einer Brache zu diskutieren. Man muss die Bürger anhören, ihre Bedürfnisse berücksichtigen.

 

Das hdak ist Mitgründer des Netzwerks Urbane Gärten, das vor kurzem
ins Leben gerufen wurde. Worum geht es dabei?

 

Es ging darum, die verschieden Initiativen zusammenzubringen. Wir wollten eine Plattform bieten, weil kleinen Initiativen oft das Know-how fehlt, sich zu organisieren und nach außen darzustellen. Aber die Urban-Gardening-Initiativen sind dermaßen agil und bringen so viel ein, dass wir ihnen mittlerweile kaum noch etwas bieten können. Und da stellen wir auch die Bandbreite fest. Es gibt Ideologen, die die Welt verbessern wollen. Und es gibt Pragmatiker, die akzeptieren, dass sie eine Brache tatsächlich nur für ein paar Jahre nutzen können, bevor sie eine andere Nutzung bekommt. Urban Gardening ist da ein Abbild der Gesellschaft.

 

Es gibt aber auch rückwärtsgewandte Tendenzen. Die Natur ist dann ein Gegenentwurf zu vielem, was Stadt heute ausmacht: Arbeitsteilung, Anonymität, Geschwindigkeit. 

 

Ich würde das nicht rückwärtsgewandt nennen. Es gibt in Städten ein Bedürfnis nach Identifikation. Gerade die Kölner Veedelsmentalität kommt dem entgegen. Hier kümmert man sich um das Umfeld, ist sozial verzahnt. Urban Gardening ist in Köln ja entstanden, weil die Menschen sagen: Hier leben wir, hier wollen wir etwas tun. Einige wollen einfach gärtnern, ernten, bewusster leben. Andere wollen grundsätzlich über die Entwicklung der Stadt diskutieren. Wir begrüßen es, sich mit seinem Umfeld zu beschäftigen, wir begrüßen es, sich mit seinem Umfeld zu beschäftigen, dass man Identifikationspunkte findet, dass man diskutiert. 

 

Urban Gardening ist ein schillernder Begriff. Er steht vielfach als Patentlösung für viele Aufgaben, die man zunächst nicht mit dem Gärtnern verbindet: Kinderpädagogik, Integration, kulturelle Bildung ... 

 

Der Dialog Kölner Klimawandel (DKK), an dem das hdak beteiligt ist, hat Best-Practice-Projekte mit unterschiedlichen Schwerpunkten zusammengestellt. Es werden zum Beispiel Urbane Gärten vorgestellt, die etwa sozial schwachen Personen Aufgaben in der Gemeinschaft bieten. Andere Projekte wollen Kulturen zusammenführen, indem sie Migranten ansprechen. Grundlage ist aber immer das gemeinsame Gärtnern, also der selbst kontrollierte Anbau von Lebensmitteln.

 

Nachhaltigkeit lautet das Schlagwort — aber ist das nicht etwas hoch gegriffen?

 

Sicher werden wir mit Urban Gardening nicht einfach Öko-City 2020 und halten unsere CO2-Versprechungen ein. Aber diese Projekte sind Bausteine für Nachhaltigkeit. Dort kann man Impulse setzen und zum Umdenken anregen.

 

Christian Wendling, Jahrgang 1967, ist seit 2006 Geschäftsführer im Haus der Architektur Köln und seit 2000 als Inhaber der Agentur phase10 Architektur und Medien freiberuflich als Berater, Autor und Referent tätig.