Ortstermin: Hahnenstraße

Wie jeden Herbst macht »plan« mit Ausstellungen, Vorträgen, Workshops und Exkursionen die Architektur zum zentralen Thema der Stadt. Einem besonderen Problemfall hat sich in diesem Jahr der Bund Deutscher Architekten (BDA) angenommen: der Hahnenstraße – hier wird eine ganze Reihe von Installationen aufgebaut. Organisert hat diese Reihe die Architektin Kai Mettelsiefen. Mit ihr und ihrem Kollegen Seyed Mohammad Oreyzi hat Christel Wester über Stadtplanung in Köln und über die verborgenen Seiten der berüchtigten Verkehrsschneise gesprochen.

StadtRevue:Mit der Installationsreihe zu »plan« bezieht der BDA Stellung zu einer zentralen Problemzone in der Kölner Innenstadt.

Kai Mettelsiefen:Die Hahnenstraße steht exemplarisch für den Umgang mit dem städtebaulichen Erbe der 50er Jahre, dieses Problem stellt sich derzeit auch an der Nord-Süd-Fahrt. Die Positionen hierzu sind zwiegespalten. In den 50ern hat man Verkehrsschneisen mitten durch die gewachsene Stadt gehauen und dadurch natürlich viel zerstört, insofern besteht generell eine sehr kritische Haltung gegenüber diesen Stadträumen. Darüberhinaus gibt es Leute, die die Position vertreten, das sei alles nicht mehr zeitgemäß, das heißt nicht effizient genutzt. Da müsse eine viel größere bauliche Dichte realisiert werden. Die andere Position lautet, dass gerade diese Stadträume einen ganz wichtigen Teil von Köln repräsentieren. Hier existiere eine verborgene Qualität, die nur richtig herausgearbeitet werden müsse, damit ein ganz typisches neues Stück Köln entstehe. Uns geht es mit dieser Installationsreihe darum, diese Fragestellung offen zu diskutieren.

Vor zehn Jahren wurde bereits ein Wettbewerb zur Umgestaltung der Hahnenstraße durchgeführt, trotzdem ist nichts passiert. Wie erklären Sie sich diesen Stillstand?

KM: Diese Problematik ist ganz eng verknüpft mit dem Verkehr, und das ist nicht so einfach zu lösen. Aber es ist natürlich auch eine Frage, wie zielstrebig man Probleme verfolgt. In Köln ist es leider oft so, dass man Fragestellungen aufreißt, dann gibt es einen Wettbewerb, und dann passiert erstmal ganz lange nichts.

Herr Oreyzi, Sie beteiligen sich an der Installationsreihe. Wie beurteilen Sie die Situation an der Hahnenstraße?

Seyed Mohammad Oreyzi: Für mich stellt die Hahnenstraße eine schöne städtebauliche Situation dar, die sehr innenstädtisch ist. Auf der Seite des ehemaligen British Council existiert eine sehr hochwertige Architektur. Die pavillionartige Bebauung auf der gegenüber liegenden Seite besitzt jedoch meiner Ansicht nach keinen Wert, der denkmalpflegerisch zu schützen wäre. Hier sind wir mit einer Notlösung aus der damaligen Zeit konfrontiert, man hatte offensichtlich nicht die nötigen finanziellen Mittel. Wenn man das jetzt als Gesamtensemble sehen möchte, naja.

Ihre Installation heißt »Weitsicht«, dieser Titel ist mehrdeutig.

SMO: Ich werde auf der Hahnenstraße zwei Hebebühnen installieren lassen, die die Passanten wie einen Aufzug benutzen können. Sie werden auf eine Höhe von etwa neun Meter befördert und bekommen einen besseren Überblick über die gesamte Situation – also eine Weitsicht. Aber »Weitsicht« ist in gewisser Weise auch politisch gemeint und wendet sich an diejenigen, die den desolaten Zustand, der sich aus dieser Perspektive darbietet, ändern können.

Das ist eine Perspektive, die manchen Kölnern durchaus vertraut ist, nämlich denjenigen, die in diesen Häusern hinter der pavillionartigen Ladenzeile wohnen.

SMO: Von der Hebebühne aus kann man über die Dächer der Läden schauen, diese Bauten sind nur ungefähr vier Meter fünfzig hoch. Was man dann sieht, ist die Hinterhofsituation der dahinter stehenden, relativ hohen Wohnbauten: unansehnliche Dachstrukturen, verschmutzte Lüftungen. Als Fußgänger kennt man das normalerweise nicht, der Blick reicht meist nur bis zur Schaufensterhöhe.

Sie bieten den Passanten nicht nur einen besseren Überblick auf den Ist-Zustand, Sie haben auch eine Alternative entwickelt.

SMO: Leider gibt es im gesamten innerstädtischen Bereich keinen Platz, wo Sie in Ruhe sitzen und vielleicht zu Mittag Ihr Brötchen essen können. Wenn man nun die Dachflächen begrünt, entsteht eine Art Garten. Im Unterschied zu den anderen Plätzen in der Umgebung, die immer mit irgendwelchen Aktionen belegt werden, wäre das ein Ort, wo man jederzeit hingehen kann. Außerdem erhielten die Hinterhöfe der Wohnbebauung eine völlig neue Nutzung. Das ist eine Idee, wie man mit dieser Situation umgehen könnte. Es handelt sich nicht um einen ausgearbeiteten Vorschlag, wir wollten nur einen Anreiz geben. Es geht nicht darum, einfach mit einem großen Gebäudekomlex eine bauliche Verdichtung zu schaffen, sondern darum, die vorhandene Fläche zu nutzen.

Die Aufenthaltsqualität an der Hahnenstraße wird allerdings stark beeinträchtigt durch den Verkehr – nicht allein deshalb, weil man nur unter Lebensgefahr die Straße überqueren kann, sondern hier herrscht auch ein ziemlicher Lärm.

KM: Ich weiß gar nicht so genau, ob wirklich der Verkehr das Riesenproblem ist. Schauen Sie beispielsweise nach Paris, da gibt es Straßen und Plätze, wo viel mehr Getöse ist. Trotzdem gibt es da mehr städtisches Leben, weil diese Zonen besser gestaltet sind. Innerhalb unserer Reihe gibt es eine Installation, die diesen Verkehrslärm in Röhren einspeist und dadurch einen Klang erzeugt, der den Lärm umformt und harmonisiert. Das eröffnet eine andere Ebene des Erlebens und zeigt, dass es auch eine Frage ist, wie man damit umgeht.

SMO: Ich finde den Verkehr überhaupt nicht störend, wir befinden uns in einer Innenstadt, und die Hahnenstraße ist eine wichtige Achse in dieser Stadt. Da sollen viele Autos fahren, auch die Straßenbahn soll in der Mitte bleiben. Darin besteht auch ein Reiz dieser Straße.

Sie halten also nichts von verkehrsberuhigenden Strategien, indem man etwa die Fahrbahn tiefer legt und so die verschiedenen Funktionen einer Straße auf unterschiedliche Ebenen verteilt?

KM: Das hat in den 70er Jahren viele Stadträume viel mehr auseinander gerissen, als dass es neue Qualitäten gebracht hätte. Und insofern muss man auch die derzeitige Diskussion um die Nord-Süd-Fahrt noch einmal ganz kritisch betrachten. Wie hoch ist der Aufwand? Und was bringt das wirklich? Gäbe es nicht vielleicht einfachere Maßnahmen, die das Problem auch lösen würden? Außerdem, stelle ich mir die Frage, was es bringen soll, zuerst eine Straße tiefer zu legen und dann den Raum, den man damit gewinnt, wieder voll zu bauen. Auf keinen Fall sollten hier halbherzige Lösungen realisiert werden, die dann doch jahrzehntelang Bestand haben.

SMO: Da werden nur Flächen geschaffen, die man dann mit Bürobauten belegt. Das ist keine architektonische Lösung, die dieser Stadt eine Besonderheit gibt. Aber genau das will man doch erreichen.

KM: Das Besondere an Köln sind eben diese Stadträume der 50er Jahre. Die werden zwar im Augenblick gehasst oder zumindest sehr kritisch beäugt. Aber auch dieser kritische Blick ist zeitgebunden. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass die nächste Generation über diese Räume ganz anders denkt. Und bis dahin sollte man sie nicht zerstört haben. Wir finden zudem, dass es da Qualitäten gibt, die es neu zu entdecken gilt. So wie Oreyzi versucht, die Qualität dieser Innenhöfe auf den Dachflächen, die ja tatsächlich da ist, zu verstärken.

Glauben Sie, dass Ihre Installationsreihe die Diskussion um die Gestaltung der Hahnenstraße neu entfacht?

KM:Wir haben 1999 im Rahmen von »plan« schon einmal etwas Ähnliches gemacht. Das waren Aktionen auf Kölner Plätzen, und ich denke, wir haben damit die Diskussion durchaus befördert. Wir haben in diesem Jahr wieder die Form der Installation im Stadtraum gewählt, weil sich gezeigt hat, dass man so direkt mit den Leuten ins Gespräch kommt. Denn auf Dauer wird man die Architektur in Köln nur weiter bringen, wenn man viele Leute dafür engagieren kann. Aber wir betrachten »plan« als eine Art Laboratorium, wo neue Gedanken entwickelt werden, die sich vielleicht nicht morgen, aber dann doch übermorgen niederschlagen.

Vor zwei Jahren fand im Rahmen von »plan« ein Workshop zur Beleuchtung der Kölner Brücken statt. Anschließend gab es eine Reihe von Gesprächen mit Vertretern der Stadt, aber zu einer Realisierung ist es dann doch nicht gekommen.

SMO: Zumindest werden die Kölner Brücken in naher Zukunft beleuchtet, das ist immerhin positiv. Allerdings greift man jetzt auf Pläne zurück, die seit 20 Jahren existieren. Das ist eine sehr sachliche Beleuchtung, die durchaus die Architektur unterstreicht. Aber innerhalb des Workshops haben wir versucht neue Wege zu gehen. Die Zusammensetzung der Gruppe war interdisziplinär – Architekten, Künstler, Lichtplaner – da sind interessante Konzepte entstanden, und es ist schade, dass diese Ideen jetzt nicht einfließen.

KM: Meiner Meinung nach verschenkt die Stadt ganz klar kreative Potentiale. Gerade hier hätte man das viel beschworene Image von Köln als Kunst- und Medienstadt verifizieren können. Aber wenn sich die Chance bietet, das auch konkret zu realisieren, dann macht man leider einen Rückzieher.

SMO: Aber »plan« ist keine Organisation, um hier irgendetwas zu verändern, sondern der Versuch, Menschen dazu zu bringen, sich mehr mit Architektur auseinanderzusetzen. Schließlich handelt es sich um ihren Lebensraum, den sie mitgestalten können. Dieses Bewusstsein ist in Deutschland immer noch unterentwickelt.


plan 02
Forum aktueller Architektur in Köln: 20.-27.9. 35 Ausstellungen an unterschiedlichen Orten in der ganzen Stadt. OrganisatorInnen: Sabine Voggenreiter, Kay von Keitz
Eröffnung: 20.9., 18-22 Uhr, ab 22 Uhr Fest am »meeting point« von »plan 02«, an dem ebenfalls Ausstellungen zu sehen sind.
Ort: Die Brücke, Hahnenstraße (ehemaliges British Council).
Die meisten Ausstellungen sind vom 21.-27.9. zwischen 13-21 Uhr geöffnet.
Ein Katalog im Pocketformat informiert über das gesamte Programm und liegt an allen Veranstaltungsorten aus.

Installationen auf der Hahnenstraße:
Carton: Klangkunst von radius ingenieure; Straßen-Flucht-Stäbe: von Landschaftswerk; Weitsicht: von SMO Architektur (S.M. Oreyzi, Anette Essam, Chris Bosse); Königswege.de: von schultearchitekten; Mies in Köln: von Andreas Fritzen, Joerg Rekittke, Dominik Bueckers