Risiken des CO-MIX: Art Spiegelman

Glücklich ist die Kunst, der kein Platz zugewiesen wurde, denn ihr gelingt Unvorhersehbares. So dem Comic. Mal macht es Picasso neidisch, mal erobert es die Regale der bevorzugten Literaturbuchhandlung oder es bereichert die Wände der Museen moderner Kunst. Mit Art Spiegelman findet nun, nach Robert Crumb 2004, der zweite Eckpfeiler des US-Underground Comix seinen Weg ins Museum Ludwig.

 

Die große Retrospektive zur Verleihung des »Prix de la Ville d’Angoulême« für Spiegelmans Lebenswerk debütierte auf dem diesjährigen Festival von An­goulême, dem Cannes der Comicwelt. In ihrem Zentrum steht »Maus«, jenes legendäre Werk über den Holocaust, mit dem Spiegelman einen Meilenstein seiner Kunst schuf. Seine Beschäftigung mit dem Schicksal seiner Eltern, die als polnische Juden Auschwitz und Dachau überlebten, beginnt mit ersten Entwürfen in den frühen 70ern.

 

Die Ausstellung zeigt Skizzen, Experimente und massenweise Ungesehenes an schwarzen Wänden – dort, wo das Licht nur ein Funke ist. Dabei begann Spiegelman mitten im Licht, in der Hippie-Comic-Szene der US-Westküste, welche inhaltlich und stilis­tisch dieser Kunstform zig neue Perspektiven eröffnete. Nicht allein die schrägen Figuren und Humoresken der LSD-Freakyness, sondern ebenso die Avantgarde mit ihren Mitteln der Abstraktion und Formalisierung strebten mit Nachdruck in die Panels. Spiegelman zog sich nicht mit seiner Generation zurück, sondern ging nach New York und gründete mit seiner Ehefrau Françoise Mouly 1980 das RAW Magazin. Es präsentierte eine zweite Welle neuer Comicstile, aggressiver und düsterer. Hier veröffentlichte er zwischen 1980 und 1985 erstmals »Maus«.

 

Neben Werken aus RAW präsentiert das Museum Ludwig auch in Europa Unbekanntes, etwa seine Arbeiten für »Topps Chewing Gum«. Während in der Galerienkunst die Grenze zwischen monetärem Wunsch und Experiment unklar ist, zeigt die Spiegelman-Retrospektive Arbeiten im klaren Bewusstsein eingegangener Risiken – bis hin zum politisch motivierten Bruch mit einem seiner Hauptauftraggeber. So radikal und wach agierten in den letzten fünfzig Jahren wenige bekannte Künstler. So vielfältig und innovativ noch weit weniger.