Metamorphosen in Grün

Die Messe »Ökorausch« feiert fünfjähriges Jubiläum und präsentiert sich in diesem Jahr

im Rautenstrauch-Joest-Museum als Festival für Design und Nachhaltigkeit. Veranstalterin Dunja Karabaic erzählt von Anfängen, notwendigen Veränderungen und neuen Wegen

Entspannte Biergartenatmosphäre mitten in der Stadt. Dunja Karabaic sitzt an einem der Holztische im Innenhof des Rautenstrauch-Joest-Museums. Im dortigen Veranstaltungssaal geht die »Ökorausch« in diesem Jahr zum fünften Mal an den Start. Die Freude über den Ortswechsel ist der Kulturmanagerin anzusehen, als sie die Vorteile der neuen »Ökorausch«-Heimstätte aufzählt: Das Festival wird zentraler, bekommt Mitmachcharakter und eine ­größere Öffentlichkeit mit dem prominent platzierten Rautenstrauch-Joest-Museum.

 

Nicht geändert hat sich die Idee: Auch im fünften Jahr geht es Karabaic vor allem darum, ethische und ökologische Sinnfragen im Designbereich zu stellen. Was wird wie hergestellt? Wie übernehme ich soziale Verantwortung, auch wenn ich Konsumgüter auf den Markt bringe? Und wie bringe ich eine große Masse dazu, darüber nachzudenken? Das ist der grüne Faden ihrer Tätigkeit, zu immer neuen Denkanstößen im Designbereich will sie motivieren. Konsequent also, dass auch ihr eigenes Format in Bewegung bleibt und sich erstmals als Festival mit Beteiligungscharakter auf neue Wege begibt.

 

Nach ihrem Studium an der Hamburger Kunsthochschule gründet Karabaic 2003 das Label »Rcyclia«. Aus Müll macht sie Schmuck. Karabaic lacht, als sie erzählt, wie sie wie Pippi Langstrumpf durch die Gegend gezogen sei, immer auf der Suche nach neuem Material. Dass man mit einem kleinen Label nicht viel bewegen kann, wird ihr schnell klar. »Es ist ganz nett so zu arbeiten, aber irgendwann stellst du dir doch die Sinnfrage.«

Die Idee für eine Plattform, die ökologisch bewusst arbeitenden Designern mehr Öffentlichkeit, aber auch Verkaufsmöglichkeiten verschaffen soll, hatte Karabaic bereits 2007. Sie will den Designbegriff im Kontext ökologischer Fragestellungen ansiedeln, Fragen der sozialen Verantwortung genau da thematisieren, wo es auch um Konsum geht.

 

Antworten findet sie auf der »eco design fair« in ­London. Viele kreative, ökologisch ausgerichtete Labels machen hier bereits seit 2004 gemeinsame Sache, stellen ihre Produkte aus und erklären ihre Arbeitsweise. Mit angestaubtem Öko-Dasein oder moralischem Fingerzeig hat das alles nichts zu tun. Und genau darin sieht Karabaic Potenzial.

 

2008 dann öffnet die erste Messe für »Design mit Bewusstsein« ihre Pforten in Ehrenfeld. Es ist die bundesweit erste Veranstaltung, die versucht, Design und Nachhaltigkeit in diesem Format zusammenzubringen und eine Öffentlichkeit für engagiert arbeitende Künstler und Designer zu schaffen. »Eine gemeinsame Stimme zu bekommen, sich gegenseitig zu unterstützen, das ist wichtig«, sagt Karabaic. Das ist der Kerngedanke, die inhaltliche Basis für die Messe.

 

Knapp 45 Aussteller sind bei der ersten Messe mit dabei, ein Erfolg. »Von Designern für Designer« lautet der Slogan. Als Höhepunkt wird ein grünes Pop-up-Kaufhaus aufgestellt, zu diesem Zeitpunkt durchaus ungewöhnlich, da Läden mit Green Fashion noch Seltenheitswert in Köln haben. Die Resonanz auf die erste Messe ist positiv, knapp 2000 Besucher kommen zu »Jack in the Box« in Ehrenfeld. »Um so was zu starten, um Leute anzulocken, ist Köln genau richtig. Und Jack in the Box war ein Glücksgriff. Die Atmosphäre ist ungezwungen, der Off-Charakter des Ortes verleiht dem Thema auch beim zweiten und dritten Mal die nötige Lockerheit.«

 

Nach drei Jahren am früheren Ehrenfelder Güterbahnhof haben die Macher der »Ökorausch« dann erstmals das Gefühl, dass Veränderung notwendig ist. Ein neuer Veranstaltungsort wird gesucht, der dem Design­gedanken mehr Rechnung trägt. Ein Ort, der auch als Gebäude zum Ausdruck bringt, dass es einen erweiterten Designbegriff geben kann. Ganz im Sinne des österreichischen Designers Victor Papanek, der schon in den 70er Jahren die soziale Verantwortung von Designern propagiert und mit »Design for the real world« einen Klassiker verfasst hat. Die weitere Verzahnung des oft als oberflächlich empfundenen Designgedankens auf der einen und schwer und moralisierend empfundenen Themen wie sozialer Verantwortung und Umweltbewusstsein auf der anderen sieht die »Ökorausch«-Initiatorin als neue Aufgabe. »Ein Designer muss sich fragen: Was tue ich? Den Kram herstellen, den dann am Ende keiner braucht? Das kann nicht sein.«

 

Das Barthonia Forum in Ehrenfeld, die alte Seifenfabrik, bietet die nötige Reibungsfläche. Als Ort spricht die Seifenfabrik mit ihren gefliesten, klaren Räumlichkeiten vordergründig eine andere Klientel an als Jack in the Box, der Kerngedanke aber bleibt. »Das Grundthema hat sich mit dem Umzug ins Barthonia-Forum nicht geändert,« erklärt Karabaic. »Aber die Schwerpunktsetzung ist eine andere geworden.« Ging es anfänglich noch darum, überhaupt Sichtbarkeit für das Thema herzustellen, so geht es nun um konkrete Fragestellungen. Ein Symposium wird Teil der Veranstaltung, Gedankenaustausch zum Thema »Design als Sprache« findet öffentlich statt.

 

Während der Zeit im Barthonia-Forum wird aber auch etwas anderes deutlich: Eine Messe für grüne Produkte ist in Köln mittlerweile kein echtes Bedürfnis der End­verbraucher mehr. Vier Jahre nach Beginn gibt es etliche Läden, die Green Fashion und Fairtrade-Produkte im Programm haben. Die Art der Präsentation muss sich ändern, will man weiterhin etwas bewegen.

 

Dunja Karabaic erzählt, dass in diesem Jahr die Honorierung der Beteiligten eine größere Rolle spielt. Obschon dem Geld oft so etwas Negatives im Ökobereich anhaftet, viele nicht gerne darüber sprechen. Das sieht sie anders. »Selbstausbeutung ist sonst vorprogrammiert«, sagt sie deutlich. Mit vernünftigen Inhalten auch Geld zu verdienen, darum geht es ihr. Folgerichtig ist auch die nach sozial-ökologischen Grundsätzen operierende GLS Gemeinschaftsbank Hauptsponsor der diesjährigen Veranstaltung. Ein Bruch ist das nicht: Ökonomie gehörte immer schon zu den Kernthemen, die Koppelung von Finanzierungsfragen an soziale Verantwortung spielt eine wichtige Rolle, egal ob es um den eigenen Lebensunterhalt oder die Herstellungskosten geht.

 

Für all diese interdisziplinären Fragestellungen gibt es in diesem Jahr, dem Jahr eins im Rautenstrauch-Joest-Museum, mehr Raum. Mitmachaktionen und Workshops unterstreichen den Partizipationscharakter des Festivals. Ein Symposium unter dem Motto »Wandel durch Gestaltung« steht auf dem Programm sowie eine Ausstellung,in der Künstler und Designer exemplarische Arbeiten aus dem Bereich Design und Nachhaltigkeit zeigen.

 

Das Forum VHS im Rautenstrauch-Joest-Museum mit dieser Thematik zu bespielen, sieht Dunja Karabaic als spannende Herausforderung. Mit dem neuen Format will sie mehr Öffentlichkeit generieren. Dass das Klientel heterogener denn je sein wird, ist ihr klar. Vom Touristen bis zum überzeugten Öko reicht die Spannbreite, ein weites Feld mit viel Potenzial für konkrete Rückmeldungen und Beteiligungen. Vielleicht ist auch das ganz im Sinne von Papaneks Ausspruch »All men are designers«.