Zu nichts berechtigte Lebensfreude

Heiner Goebbels bearbeitet Hanns Eisler

Kaspar König hat sich zu seinem Abschied Hanns Eisler gewünscht. Und es gibt, zumal in Westdeutsch­land, immer noch bloß einen (was eigentlich sehr traurig ist), der Eislers Musik für eine Bühne wie die Philharmonie arrangieren, einrichten, zuspitzen kann, ohne dass es schlecht weihevoll oder auftrumpfend provokativ klänge — und das ist Heiner Goebbels. König hat sich also Eisler und Goebbels — und ganz nebenbei auch den großen Schauspieler Josef Bierbichler, der in die­ser Inszenierung als Sänger mit brüchiger Stimmer auftreten wird — gewünscht, und damit führt der Weg eigentlich weit weg von Köln und dem Museum Ludwig. Und das ist vom scheidenden Direktor ir­­gendwie auch ganz lässig als Geste.

 

Heiner Goebbels, der Frankfurter Sponti-Komponist, der vor vierzig Jahren mit Free-Jazz-Bearbeitungen von Eisler-Stücken begann, das Sogenannte Linksradikale Blasorchester anführte, Heiner-Müller-Texte für einige legendäre Hörstücke adaptierte und der aber auch seit Jahr und Tag bestens etabliert ist — derzeit ist er künstlerischer Leiter der Ruhr-Triennale —, kann von Eisler nicht lassen. Rotzigkeit und Präzision, das handwerkliche Genie mit der klaren kommunistischen Kritik an bürgerlicher Kultur, rücksichtsvoll, von freundlicher Offenheit, aber auch Kraftmeier, überquellend von sarkastischem Spott: Eisler hat die Widersprüche, wie es sich dialektisch gehört, nicht aufgelöst, sondern ihnen eine angemessene Verlaufsform gegeben. Für Goebbels eine endlos sprudelnde Quelle der Inspiration. Und warum das verbrämen? Seine große Collage »Eislermaterial« aus Eislers Kompositionen, den dazugehörigen Brecht-Gedichten und Originalkommentaren macht gar keinen Hehl aus seiner Begeisterung. Die hindert Goebbels aber nicht daran, selbst ruppig, improvisierend, kraftmeierisch mit den Stücken zu verfahren und sie in kühnen Schichtungen und harten Cuts zu arrangieren. Eisler auf Eisler selbst angewandt — Goebbels und dem interpretierenden Ensemble Modern gelingt das sehr offensiv.

 

Dieses Jahr ist Eisler-Jahr — vor fünfzig Jahren starb der »Karl Marx der Musik« (schräge Bezeichnung, die Eisler allerdings ebenso selbstbewusst wie ironisch angenommen hatte). Bekommt man in Köln bislang davon etwas mit? Natürlich (?!) nicht. Also muss es ein alter Museumsdirektor richten. »Diese gewisse ausgefranste, zu nichts berechtigte, schäbig gewordene Lebensfreude«, ätzte Eisler einst, Goebbels speist dieses Zitat in seine Collage ein. Recht so.