Ikonografie der Hoffnungslosigkeit

Mit dem Gangsterfilm »Road to Perdition« zeichnet Sam Mendes (»American Beauty«) ein düsteres Bild der USA zu Zeiten der Weltwirtschaftskrise.

»Road to Perdition« bewegt sich weit weg vom Gangsterbild des Genres

Der Gangster ist ein Star; das zumindest hat uns das nach ihm benannte Genre beigebracht. Sein (selbst)zerstörerischer Glanz ist der einer gewalttätigen Unabhängigkeit von den Gesetzen der anderen. Auf dem Weg zu mehr Macht, mehr Freiheit, mehr Geld hatte er es gerade in den 20er und 30er Jahren, der Zeit von Al Capone und Bugsy Siegel, aus dem »Asphalt Jungle« nach oben zum »Public Enemy« geschafft. Er ist Teil einer Gemeinschaft, einer nach eigenen Regeln gegründeten Familie von »Good Fellas«, die eine eigene Anziehungskraft – das Privileg des Insiders – ausübt: »Solange ich denken kann, wollte ich immer Gangster werden.« Ein solcher Satz ist in »Road to Perdition« undenkbar.

Das kindliche Bild des Vaters wird radikal korrigiert

Die Welt der Gangster öffnet sich in Sam Mendes’ Film eines Nachts im Winter des Jahres 1931 unweit von Chicago, als Michael Sullivan Jr. (Tyler Hoechlin) entdeckt, dass sein kindliches Bild vom Vater nur zur Hälfte stimmt. »Er erledigt Aufträge für Mr. Rooney, sie sind sehr gefährlich, deshalb trägt er seine Pistole«, hatte Michael seinem kleinen Bruder Peter am Abend erzählt. »Manchmal schickt ihn sogar der Präsident zu einem Einsatz, weil er ein Held ist.« In dieser Nacht durchsieben sein Vater (Tom Hanks) und Mr. Rooneys Sohn Connor (Daniel Craig) einen abtrünnigen Gangster mit ihren Maschinengewehren – und Michael wird Zeuge und damit zum Risikofaktor.

Beklemmende Atmossphäre

So radikal Michaels träumerische Perspektive auf sein Zuhause endet und auf die großväterliche Herzlichkeit von John Rooney (Paul Newman) – nichts ändert das am Tonfall des Films, an der Stille und an der Beengtheit der Bilder, die durch Licht und Kadrierung eine unablässige Bedrückung ausstrahlen. Ein dämpfender Schleier liegt über allem, ganz gleich ob wir Paul Newman und Tom Hanks gemeinsam einhändig am Klavier beobachten oder sehen, wie Sullivans halbe Familie getötet wird.
Michael und sein Vater überleben und verlassen ihr Heim. Eine Flucht nach vorn: Banküberfälle – Michael als leicht überforderter Fluchtfahrer – das Geld der Chicagoer Gangsterbosse als Beute, mit dem Sullivan seine Freiheit und die seines Sohnes erpressen will. Sechs Wochen als ungleiches Gangster-Paar on the road, das ließe sich mit der Wucht von »Bonnie & Clyde« erzählen oder wie »Paper Moon« als rührende Annäherung von Vater und Kind auf den Landstraßen der USA zur Zeit der Großen Depression. Was auch immer kommen mag, es wird Bewegung sein und am Ende nichts so wie zuvor.

Beengende Familienverhältnisse

Die Kraft von Sam Mendes’ Gangsterfilm liegt jedoch darin, auch diese Optionen auszuschlagen. Wir befinden uns schon von Beginn an auf der »Road to Perdition« (»Straße zur Verdamnis«), auf der die dunklen Räume, beengenden Verhältnisse und der doppelte Boden einer katholisch-konservativen (Gangster-)Familie in eine Landstraße übergehen, deren Weite keine Freiheit und schon gar keine Zukunft verspricht. Ob sie Kinder hätten, fragt Michael Sullivan ein Ehepaar, auf deren ruinöser Farm sie für kurze Zeit Unterschlupf finden. »Nein, wir haben uns zu spät kennen gelernt.«

Der Charakter der großen Depression

Amerikas Große Depression ist damit nicht der historische Hintergrund, vor dem die Geschichte Fahrt aufnehmen könnte, eher schon das eigentliche Thema. Ein Grundton, der jeden Raum prägt und – als wachsende Verzweiflung oder Zynismus – die Gesichter der Erwachsenen zeichnet. Der »Star« dieser Welt ist der Killer Maguire, der im Auftrag der Rooneys die Verfolgung der Sullivans aufgenommen hat. Jude Law spielt diesen leicht gebeugten Tod auf zwei Beinen. Aschfahl, mit gelben Zähnen und ausgedünntem Haar macht er das Bild vom gesellschaftlichen Verfall komplett, weil er Polizeifotograf und Killer in einem ist. Seine Fotos der eigenen Mordopfer sind Kopien der berühmten Tatortfotografien von Weegee aus den 30er und 40er Jahren – klar und düster zugleich, weil das Blitzlicht nur den Tod erhellt, den es vorfindet.

Die Hoffnungslosigkeit bricht auf

In dem Augenblick jedoch, als diese amerikanische Ikonografie der Hoffnungslosigkeit total zu werden droht, bricht Sam Mendes sie auf. Als wolle »Road to Perdition« doch nicht an seinem Bestimmungsort ankommen bzw. verbleiben, beginnt mit Sullivans Rache an John Rooney plötzlich eine neue Bildsprache. Eine Antwort auf Weegee/Maguire: Maschinengewehrfeuer in Zeitlupe zu einer elegischen Musik des Abschieds läuten eine neue Zeit ein und den Wunsch nach Zukunft jenseits der Verdammnis, den Michael verwirklichen soll.

Utopie oder Klischee?

Das Schlussbild mit der Andeutung einer neuen Kleinfamilie in einem besseren Amerika könnte man darum sowohl eine Utopie als auch eine Lüge nennen; oder einen Rückfall in Klischees, die auch in Sam Mendes’ gefeiertem Debüt »American Beauty« kaum verschleiert ihren Platz gefunden haben. In jedem Fall aber ist es gerade die Konsequenz und Qualität dieses Films – und vielleicht sogar sein »letzter Wille« –, dass sein Ende solcherart Zweifel und Misstrauen provoziert.

Road to Perdition (dto) USA 02, R: Sam Mendes, D: Tom Hanks, Paul Newman, Jude Law, 112 Min. Start: 5.9.