Jennifer Egan »Der größere Teil der Welt«

Jennifer Egans viertes Buch »Der größere Teil der Welt« ist ein polyphones Gewitter. In 13 Kapiteln, besser: Tracks, geht es um die sich verschachtelnden Lebenswege eines Dutzend Menschen rund um den exzentrischen Musikproduzenten Bennie Salazar. Die US-Amerikanerin zieht dabei sämtliche Register postmoderner Literatur: Es geht vor und zurück in der Zeit, die Erzählperspektive changiert ebenso beständig wie Sound und Ort. Wer eben noch Nebenfigur war, ist auf einmal Protagonist, und über die Verweise und Referenzen können und werden Abschlussarbeiten geschrieben werden.

 

Das Ganze ist jedoch keine akademische Fingerübung, keine überdrehte Collage eines allzu ehrgeizigen Jungautoren mit Seitenscheitel, zu viel Derrida im Bücherregal und panischer Angst vor Gefühlsduselei. Egan schafft es, in ihren Figuren eine ganze Lasterladung Leben unterzubringen. Wie sie zum Beispiel eine Familiengeschichte inklusive autistischem Sohn mittels eines Power-Point-Vortrags vermittelt und dabei fast zu Tränen rührt, ist nicht weniger als groß. 

 

Schöffling Verlag 2012, 392 Seiten, 22,95 Euro