Liars

Wer früher mit Sonic Youth, -Suicide oder Jon Spencers Blues Explosion gemeinsam auf Tour war, kann kein schlechter Mensch sein, sollte man meinen. Und in der Tat: Die Liars scheinen in Ordnung zu sein. Trotz der Versuche, sie zu hypen, ist es ihnen auf eigenwillige Weise gelungen, allzu großen Erfolg zu vermeiden.

 

Möglicherweise liegt das auch daran, dass das bislang kaum berechenbare Trio das Kunststück vollbracht hat, sechs Alben einzuspielen, von denen jedes auf andere Art schön kaputt klingt: eins mit Brachiallärm, eins mit verstörenden Trommelexperimenten, eins mit spinnertem Waldhexensingsang und atonalem Gedengel, ein funkpunkiges mit Elektro-fiepen und harten Gitarrenriffs, eins mit allem zusammen. Jüngst veröffentlichte sie »Wixiw« Stücke, die klingen, als hätten sich Radiohead und Depeche Mode Haare und Augenbrauen abrasiert, dun-k-le Sonnenbrillen aufgesetzt, schlechte Drogen genommen und wären in einen fensterlosen Keller gezogen: brummende Synthesizer, Drum Machines, entmutigter Gesang. 

 

Wirkten die frühen Alben der Liars noch so, als hätte man ein paar Leute von der Straße gebeten, in einem düsteren Gewölbe gemeinsam Topfschlagen zu üben, d.h. erfreulich dissonant und befremdlich, hat sich die Kunststudenten-Combo über die Jahre — ihre Stationen waren bis jetzt Los Angeles, New York, die Wälder von New Jersey und die Hinterhöfe von -Berlin, wo sie ein Jahr zubrachten — einer kontinuierlichen Diskontinuität verschrieben: nur nicht zweimal was Ähnliches machen.
Je nach Tageslaune klingen sie entweder nach den frühen The Jesus & Mary Chain mit ungestimmten Gitarren, nach Frühachtziger-Postpunk-Pop (Fad Gadget, A Certain Ratio) oder nach einer Art Doomsday-Dance-Band. 

 

Auf »WIXIW« (sprich: »wish you«), das — wie passend! — vom legendären Gründer des britischen Labels Mute (Depeche Mode, Laibach, Einstürzende Neubauten)  Daniel Miller co-produziert wurde, wendete man sich völlig von der Gitarre ab und stärker der computergenerierten Musik zu. Der ge-genwärtige Sound der Band ist zugänglicher und tanzbarer als einst: schnarrender Disco-Funk hier, ein Housebeat dort. Die Texte drehen sich immer noch um Angst-zustände und psychische Dystopien. Doch von der Methode der musikalischen Kriegsführung gegen das Publikum ist auf der neuen Platte wenig übriggeblieben. Aber gut möglich, dass das schon wieder passé ist, wenn sie live auftreten.