Halsbrecherisch feinsinnig

Das Label Hessle Audio definiert Bassmusik

 

Echte Fründe stonn in der Schlange. Vor dem Londoner Club FWD>> hatten sich Ben Thompson und David Kennedy kennengelernt. Irgendwann Mitte des letzten Jahrzehnts war das, als dort gerade eine neue Musikrichtung geboren wurde: Dubstep. »Ich war das erste Mal auf der Party, weil ich von dieser Musik gehört hatte«, erzählt Kennedy. Kurz danach saß er zusammen mit Thompson und einem weiteren Freund, Kevin McAuley, vor einem Setup aus Turntables, PC und einem simplen Plug-In, um eine Radioshow für den Internetsender SUB.FM aufzunehmen. Das war in Leeds, weitab vom Nukleus  der Londoner Szene, aber dank Internetverbindung und Files-haring nicht ab vom Schuss.

 

Mittlerweile wohnen die drei in London. Ben Thompson ist als BenUFO ein gefragter DJ, David Kennedy reist unter seinem Pseudo-nym Pearson Sound (früher: Ramadanman) durch die Welt und hat einige der interessantesten Tracks der letzten Jahre veröffentlicht und Kevin McAuley ist Soundtechniker bei der BBC und veröffentlicht als Pangaea Tracks, die ebenso feinsinnig wie halsbrecherisch sind. Gemeinsam betreiben sie das Label Hessle Audio. »Wir haben Hessle Audio gegründet, um Musik herauszubringen, die wir nicht auf Vinyl finden konnten«, erzählt McAuley. »Als Dubstep hart und aggressiv wurde, haben wir eher perkussive Stücke herausgebracht.« Einige dieser Releases sind mittlerweile Genre-Klassiker — etwa »Router« von Pangaea, auf dem ein gelooptes Vocalsample über einem Halfstep-Rhythmus Schauer in Richtung Wirbelsäule laufen lässt. Oder Joes »Claptrap«, das den Rhythmuswahnsinn von Juke-Musik mit Claps aus dem Drumcomputer nachbildet. Auch die frühen Stücke von James Blake wurden auf Hessle Audio veröffentlicht, bevor dieser den heimeligen Songwriter  in sich entdeckte.

 

Aber auch nach 22 Veröffentlichungen ist die Ästhetik von Hessle Audio schwer auf den Punkt zu bringen. Einerseits experimentiert man mit Rhythmen, Sounds und Stilen, hat keine Berührungsängste gegenüber Krautrock, Dub oder Minimal Techno, andererseits wird diese Experimentierlust immer wieder an das zurückgebunden, was auf dem Dancefloor, Pirate Radio oder der Soundcloud stattfindet. »Jeder will mit den besten Producern mithalten«, beschreibt McAuley die Stimmung unter den Londonern Produzenten. Seine neues Album »Release« führt alle disparaten Stränge der Londoner Dance-Szenen mit einer Spur Techno zusammen. Während sich im Hintergrund komplexe Rhythmusspuren bis zum Overkill aufeinander schichten, liefern sich im Vordergrund Ragga-Vocals und Sub-bässe ein Duell um die vordersten Ränge im Soundbild. Alleingestellt, aber dennoch nicht selbstvergessen.