Foto: Manfred Wegener

Don’t do it yourself!

materialien zur Meinungsbildung /// folge 131

»Wenn man nicht alles selber macht...« So stöhnt Oma Porz, wenn ich ihr die falsche Konservendose Kohlrouladen vom Einkauf mitbringe. Ja, will man, dass alles exakt so geschieht, wie man es sich wünscht, wird es einem niemand Recht machen können. Im Zeitmanagement heißt es, man solle Aufgaben an andere delegieren. Die Zeitmanager vergessen bloß, dass die zunächst gewonnene Zeit später wieder damit vertan wird, das entstandene Durcheinander in Ordnung zu bringen. Und sei es, eine Dose Kohlrouladen umzutauschen.

 

Mit ihrem Ausruf liegt Oma Porz im Trend. Der Gedanke des Do-it-yourself greift um sich. Die Apologeten dieser Bastel-Wut wähnen sich als Rebellen und verklären ihr Laster als Selbstermächtigung gegenüber einem maroden System, in dem niemand mehr weiß, wie man eigenhändig Tapetenkleister herstellt oder aus Wurzelgeflecht und schmackhaften Moosen veganes Hundefutter bereitet.

 

Man mag es bedauerlich finden, dass immer weniger Menschen fähig sind, Pulswärmer zu häkeln, Seife selbst herzustellen oder Mirabellenmarmalade einzuwecken. Aber ist es nicht gut, dass niemand mehr auf diese Fähigkeiten angewiesen sein muss? Man kann diese Dinge nämlich kaufen. 

 

Aber Gesine Stabroth backt Brot selbst. So schmeckt es auch. Das darf man aber nur denken.
Ich werde außerdem genötigt, -zuzustimmen, dass es gesund -
sei und die Zubereitung äußerst unterhaltsam sei und großen Spaß -mache. Strukturell liegen in diesem Fall also alle Merkmale einer Dik-tatur vor.

 

Die Menschen überschätzen ihre Fähigkeiten. Deshalb sind die Baumärkte verstopft mit Wahnsinnigen, die ihre Garageneinfahrt selbst pflastern möchten und mir mit ihrem Hämmern und Fluchen die Ruhe rauben. Mittlerweile ist es soweit gekommen, dass man sich schämen soll, für eine handwerkliche Tätigkeit Hilfe in Anspruch zu nehmen. Sie lesen jetzt einen erschütternden Tatsachenbericht. 

 

Zwar bewahre ich sämtliche Gebrauchsanweisungen der Geräte auf, die ich für meinen Hausstand angeschafft habe. Funktioniert ein Gerät nicht mehr, könnte ich die Fehlerquelle beheben. Das hoffe ich jedenfalls. Für mein Damenfahrrad mit dem festgerosteten Rückspiegel, den man nicht mehr abschrauben kann, gab es aber keine Gebrauchsanweisung. Den Schrotthaufen hat mir Tobe Bongartz
»geschenkt«.

 

Nun war dieses Fahrrad kaputt. Es machte Geräusche, als würden Nagetiere gequält. Ich brachte das Fahrrad zu einer Fahrradreparaturwerkstatt. Guten Tag, hier kommt Kundschaft!, rief ich frohgemut und  — ritsch, ratsch, pling — betätigte die Klingel. Umso verwunderter war ich, wie viel Hass einem entgegenschlagen kann, schickt man sich an, eine beworbene Dienstleistung in Anspruch zu nehmen. Der Fahrradhändler schaute auf mein Fahrrad, als hätte ich ihm etwas sehr Ekliges gezeigt. Dann begann eine kulturkritische Tirade über das handwerkliche Unvermögen der Menschen sowie ihren Geiz, sich Fahr-räder zu kaufen, die billiger als mehrere tausend Euro sind. Frühestens drei Wochen später würde ich um eine weitere Audienz bitten dürfen, um mich nach dem Fortgang der Reparaturarbeiten zu erkundigen, so der Händler sinngemäß. Dass ich später einen gehörigen Batzen zu bezahlen hatte, wertete ich auch als Strafe für meine Dreistigkeit, nicht selbst Fahrradreparateur geworden zu sein. 

 

Viele Menschen, mit denen ich sprach, berichteten mir von ähn-lichen Vorfällen quer durch alle Branchen. Jenseits von Polizei und Feuerwehr wird das Anliegen des Kunden als anmaßend betrachtet. Überall wird man beschimpft, weil man’s nicht selbst macht. Ja warum haben eigentlich alle verlernt, Feuerwehrschläuche zu nähen und das Haus selbst zu löschen, wenn es in Flammen steht? Ja, wie kam es, dass dieses Wissen der Alten verloren gegangen ist?