Franz im Unglück

Das Freie Werkstatt Theater adaptiert Fassbinders Faustrecht der Freiheit

Es beginnt wie ein Märchen. Schausteller Franz Bieberkopf ist fest davon überzeugt, dass er sechs Richtige haben wird. Kurz vor Annahmeschluss schafft er es gerade noch seinen Lottoschein abzugeben. Und tatsächlich: Franz gewinnt eine halbe Million D-Mark. Prall gefüllt ist nun die Keksdose, in die er die vielen Scheine hineinlegt. Seine Hände halten sie fest umklammert. Denn sie ist der Schlüssel zu einem neuen Leben.

 

1975 verfilmte Rainer Werner Fassbinder sein Drehbuch »Faustrecht der Freiheit«. Das bitterböse Sozialdrama hat nun das Freie Werkstatt Theater unter der Regie von Ulrich Hub für die Bühne adaptiert. Es ist die Geschichte eines Ausgebeuteten, der hoch fliegt, um am Ende ins Bodenlose zu stürzen. Fünf Jahre vor der Verfilmung von Alfred Döblins »Berlin Alexanderplatz« entlieh Fassbinder dem Roman den Namen der Hauptfigur, des Proleten Franz Bi(e)berkopf. Lediglich durch einen zusätzlichen Buchstaben verfremdet.

 

Im FWT spielt Schauspieler Till Brinkmann diese raue Gestalt mit zärtlichem Kern: Der frisch gebackene Lottogewinner verliebt sich unsterblich in Eugen (Marius Bechen). Bechen gelingt es, den eloquenten Jungunternehmer aus gutem Hause facettenreich darzustellen: hin- und hergerissen zwischen seiner Liebe und Profitgier. Während ihn der proletenhafte Charme von Franz zunächst anmacht, wird ihm dieser zunehmend peinlich. Alle Umerziehungsversuche scheitern. Einzig der Reiz des vielen Geldes bleibt. Wie eine Weihnachtsgans nimmt er seinen Liebsten aus. Am Ende ist die Keksdose leer und Franz tot.

 

Auch Eugens geschäftiger Vater trägt seinen Anteil daran. Solange Franz sein Geld in dessen Firma buttert, toleriert er die homosexuelle Liebschaft zu seinem Sohn. Ebenso lauert Eugens Freund Max auf ein gutes Geschäft. Die weiß getünchten Bühnenwände, auf denen in roten Buchstaben der Titel des Stücks prangt, lässt dabei viel Raum für das intensive Spiel der vier Schauspieler. Nichts lenkt von der subtilen Interaktion der Männer ab. Mit Kreide schreiben sie nach und nach das Fassbinder-Zitat auf den Boden: »Das einzige Gefühl, das ich akzeptiere, ist Verzweiflung.« Insgesamt jedoch fehlt der eher nüchtern angelegten Inszenierung die rebellische Wildheit, die sexuelle Energie und eine zeitgenössische Brisanz —  all das, was die Vorlage so stark macht. Trotz des Könnens der Schauspieler, da ist kein innerer Funke, der auf das Publikum überspringt.