Engagement und Laissez-faire

Fotostadt Köln, geht’s Dir besser? Anlässlich der Messe Photokina und der »Internationalen Photoszene« fokussiert Kerstin Stremmel die aktuelle Szene und unterhielt sich mit dem Fotospezialisten Markus Schaden über ihr Entwicklungspotenzial.

Köln ist die Stadt der Photokina, im Museum Ludwig befindet sich der Nachlass eines der wichtigsten Fotografen der Nachkriegszeit, Chargesheimer, und die Zahl der auf Fotografie spezialisierten Galerien wächst. »Kölle ade«, wie kürzlich in der Kunstzeitung zu lesen war, scheint nicht für die Fotoszene zu gelten. Als im Oktober 2001 der »Förderverein Forschungszentrum Fotografie« gegründet und seine Pläne in Bonn vorgestellt wurden, blickten Kölner Fotofreunde etwas neidisch auf die Ex-Hauptstadt, der es offenbar gelungen war, die renommierte Sammlung von Ann und Jürgen Wilde in die Stadt zu ziehen: Um diese mehr als 10.000 Vintage Prints aus der klassischen Moderne, umfangreiche Werkgruppen einzelner Künstler und zahlreiche Archivalien haben sich bereits einige Institutionen ergebnislos bemüht.
Doch kürzlich gab es eine Einladung zum Richtfest des »Forums für Fotografie« in der Schönhauser Straße in Köln. Dort zieht nicht nur die ambitionierte Galerie Zander ein, sondern auch die »Stiftung für zeitgenössische Fotografie«, die Norbert Moos gegründet hat. Moos ist Mediziner und engagierter Kunstfreund mit einer exquisiten, der Öffentlichkeit bislang nicht bekannten Fotosammlung, und er hat Interesse an Sponsorentätigkeit. Die Stiftung plant jährlich drei Stipendiaten mit Ausstellung und begleitender Publikation zu fördern, gleichzeitig sollen in ihren Räumen themenbezogene Ausstellungen durchgeführt werden. Im gleichen Gebäude soll eine »Stiftung Fotografie und Kunstwissenschaft Ann und Jürgen Wilde« logieren, mit den Nachlassarchiven von Karl Blossfeldt und Albert Renger-Patzsch, die den Kern des Wilde-Archivs bilden. Das wäre eine sinnvolle Ergänzung zum Nachlass von August Sander in der SK Stiftung Kultur – wie lange Wildes Interesse an dem Mietvertrag haben, bleibt jedoch abzuwarten: Noch sind die Verhandlungen mit Bonn nicht beendet. Fest steht, dass die jüngst gegründete Alfred Erhardt Stiftung, die sich dem Œuvre dieses weiteren wichtigen Fotografen der Neuen Sachlichkeit widmet, bis auf weiteres ebenfalls dort einziehen wird: Köln könnte sich, zieht man zudem die hervorragende Sammlung zur Geschichte der Fotografie des Agfa-Foto-Historama in Betracht, zu einem Mekka für Fotoforscher entwickeln. Das »Plädoyer für eine zentrale Institution zur Kulturgeschichte der Photographie«, das der Leiter des Agfa-Foto-Historama im Museum Ludwig, Bodo von Dewitz, bereits 1988 formulierte, wird aber vermutlich leider unerhört bleiben.
Bereits jetzt präsentiert die hoffnungsvoll stimmende Wiedereröffnung der Galerie Sabine Schmidt im neuen Galeriehaus An der Schanz neben zeitgenössischen auch historische Positionen wie die von August Kotzsch. Und ab Ende September ist das Angebot an Fotoausstellungen überwältigend: von Joachim Brohms subtiler fotografischer Spurensuche bis hin zu Katharina Bosses ironisch-drastischen Porträts von Burlesque-Tänzerinnen und den analytischen Momentaufnahmen von Barbara Probst. Von Sieglinde Klupsch ist endlich eine erste Einzelausstellung zu sehen; Ryuji Miyamotos Fotografien des Erdbebens in Kobe, die Unfallbilder des ehemaligen Polizeifotografen Arnold Odermatt, dieVintageprints des Avantgarde-Fotografen Heinz Hajek-Halke – all das im Oktober vor der Tür zu haben, ist Anlass zu Begeisterung. Weitere bekannte Namen wie Jeff Wall oder Jack Pierson gibt es als Zugabe, und fast kann man den Stolz der Organisatoren der diesjährigen »Internationalen Photoszene Köln« verstehen, wenn, ja wenn sie nur etwas mit dieser Fülle guter Angebote zu tun hätte.
Im April dieses Jahres nannte sich der Fotosektor auf der Messe KunstKöln selbstbewusst kölnphoto II, doch renommierte Kölner Galerien wie Fiedler und Reckermann nahmen bereits nicht mehr teil. Es gab einige Überlegungen, wie kölnphoto an Profil gewinnen könne – so formulierte Anna Gripp in Photonews: »Vielleicht sollte man das Rahmenprogramm stärker in den Mittelpunkt rücken, um fotokulturell Profil zu gewinnen. (...) Noch besser: die Kölner bündeln endlich ihre Kräfte und kölnphoto findet parallel zur Photoszene Köln statt (u.a. mit einer hochkarätigen Fotografieausstellung im Museum Ludwig, auf die viele schon ungeduldig warten.)« Das trifft den Kern des Problems: So großartig das individuelle Engagement auf dem Fotosektor ist, so sehr hapert es in Köln mit der Koordination und – leider immer noch – mit musealen Großereignissen. Solange es keine Auswahlkriterien für die Teilnahme an der Photoszene gibt, bleibt der erwünschte Synergieeffekt aus.
Ob die Photoszene parallel zur KunstKöln oder zur Photokina stattfinden sollte, ist weniger entscheidend als der Gedanke einer Neukonzeption. Interessant scheint jedoch, dass mit der »Visual Gallery« ab diesem Jahr wieder an die Tradition der »Bilderschauen« angeknüpft und eine Vielzahl von »ausgezeichneten« Beispielen der Auftragsfotografie aus den Bereichen Werbung, Mode und Reportage
gezeigt wird.

Interview:
StadtRevue: Wie beurteilen Sie die gegenwärtige Stimmung der Fotoszene in Köln?
Markus Schaden: Ich denke, die Stimmung ist gut. Wir haben einen Ortsvorteil gegenüber Berlin, wo die Geldzufuhr gestoppt ist, und der Umzug der Galerien von Sabine Schmidt, Thomas Zander und Franz und Nadia van der Grinten in neue Räume ist ein positives Signal. Aus meiner Sicht konzentriert sich viel auf Köln.
Wieviel tragen dazu die nicht-kommerziellen Institutionen bei?
Bemerkenswert ist die konsequente Arbeit der SK Stiftung, die ein gutes Programm bietet. Und beeindruckend ist, wie sich Bodo von Dewitz mit dem Agfa-Foto-Historama unter unsäglichen Bedingungen durchschlägt. Das ist im übrigen ein gutes Beispiel dafür, wie sehr sich die Außenwahrnehmung Kölns von dem unterscheidet, was aus der Innenperspektive wahrgenommen wird: So hat der Katalog zur letzten Ausstellung des Agfa, »Kiosk«, den renommierten ICP-Preis für das beste Fotobuch 2002 gewonnen – das ist international beachtet worden, die Kölner Lokalpresse hat es nicht einmal erwähnt. Das gleiche gilt im übrigen für die Galeriearbeit, die in Paris und New York wahrgenommen, vom Kölner Publikum aber für selbstverständlich gehalten wird. Ohne die Außenwirkung wären wir aufgeschmissen und die alleinige Konzentration auf Kölner Kundschaft wäre falsch.
Das Museum Ludwig haben Sie nicht erwähnt – wie beurteilen Sie die Situation seit Antritt von Direktor König und der Benennung von Thomas Weski als Kurator für Fotografie?
Das Ludwig ist unser Sorgenkind. Thomas Weski ist unterfordert und bislang gab es noch nichts zu sehen. Das Los Alamos-Projekt von William Eggleston (März 2003) findet sicher sein begeistertes Publikum, aber die Hans-Peter-Feldmann-Ausstellung (Dezember) war bereits an anderen Orten zu sehen. Zwei Großausstellungen reichen außerdem nicht, man müsste vielleicht eine Reihe kleiner Ausstellungen auf die Beine stellen, es gäbe so viel zu zeigen von Martin Parr über Josef Koudelka bis Larry Sultan.
Woran könnte es liegen, dass so etwas nicht stattfindet?
König muss die Stärken seiner Mitarbeiter kennen und sie machen lassen. Es wäre ein Jammer, jemanden wie Weski zu verlieren, der mit seiner kontinuiertlichen Arbeit in Hannover bis hin zu »How you look at it« sein Format bewiesen hat. Derzeit ist in Köln noch keine Position auszumachen. Abgesehen davon gibt es viele interessante Dinge, die im Museum Ludwig lagern. Etwa Chargesheimer müsste museal aufgearbeitet werden, eine Retrospektive seiner Arbeit wäre wichtig.
Welche Desiderate gibt es sonst noch?
Ein gutes Festival abseits der Photokina wäre gut, und immer wenn ein Konzept gut ist, müssen sich auch Räume finden lassen. Das Gemeinschaftsprojekt »Tokyo Shock« 1999 war ein solcher Erfolg, es gab guten Support, und das Ganze war nicht zu protzig. Ein solcher unabhängiger Zusammenschluss kompetenter Fotoexperten hat ein großes Potential. Aber dass jeder sein eigenes Süppchen kocht und rumschimpft ist verbreitet. Es ist einfach mehr Improvisationstalent gefordert, und darin sind die Kölner ja eigentlich gut. Dann könnte man auch ohne Josef-Haubrich-Kunsthalle interessante große Ausstellungen übernehmen. Außerdem bräuchte man mehr integrative Figuren wie L. Fritz Gruber, die als Multiplikatoren wirken können. Die Kunst Köln Messe müsste auch anders organisiert werden, damit sie zwischen Paris Photo und der Photo Armory Show ein ernstzunehmendes Angebot für Sammler wird. Aber der Kölner Mentalität kommt es entgegen, wenn alles so läuft wie bisher.

Markus Schaden, *1965, ist Verleger und betreibt seit 1998 die Fotobuchhandlung schaden.com
Fachmesse Photokina vom 25. bis 30.9., Messegelände Deutz. Internationale Photoszene: Orte und Termine im Photoszene-Guide und ab September unter www.photoszene.de. Kernwochenende: 27.-29.9.