Da lachen doch die Hühner: Autofreier Sonntag in Ehrenfeld, Foto: Manfred Wegener

Plan B für Nachhaltigkeit

Im September soll Ehrenfeld einen Tag autofrei sein

Josef Wirges war dabei, als im November 1973 aufgrund der Ölkrise die ersten autofreien Sonntage in Deutschland stattfanden. »Ich habe damals meine Ente stehen lassen und wir sind zu Fuß über die Stadtautobahn gelaufen«, erinnert sich der SPD-Politiker und Ehrenfelder Bezirksbürgermeister. Vier Jahrzehnte später wird Wirges wieder einen autofreien Tag erleben — in seinem Stadtteil. Die dortige Bezirksvertretung fasste in ihrer letzten Sitzung 2012 den Beschluss, den ersten »Kölner Sonntag der Nachhaltigkeit« am 15. September 2013 zu unterstützen.

 

Das Konzept, das Ende 2011 beim Ideenwettbewerb »Dialog Kölner Klimawandel« mit 2000 Euro prämiert wurde, geht auf Davide Brocchi aus Sülz zurück. Die Idee des Soziologen: Vor dem Hintergrund der versiegenden Öl-Reserven soll der motorisierte Individualverkehr nach dem Vorbild von Städten wie Brüssel oder Hannover für einen Tag ruhen und die Straßen stattdessen den Menschen zur Verfügung gestellt werden. Brocchi fordert eine »Transformation der Stadt«, und der Autofreie Sonntag soll »als Taktgeber dienen«. Ursprünglich wollte er die gesamte Innenstadt einen Tag autofrei haben, doch nach verhaltenen Reaktionen der dortigen Bezirksvertretung musste Brocchi mit Plan B Vorlieb nehmen. Er stellte das Projekt den Bezirksvertretern in Ehrenfeld vor, diesmal mit Erfolg.

 

Mehr als 60 Initiativen und Organisationen, darunter der Bund für Umwelt- und Naturschutz Köln sowie der AStA der Uni, unterstützen die Idee. Es gibt einen Beirat und Arbeitskreise. Aufgrund der gewachsenen Strukturen, wie  Brocchi sagt, sei er optimistisch, das aufwändige Vorhaben tatsächlich bereits in diesem Jahr stemmen zu können. Auf dem kommenden Treffen des Netzwerks am 26. Januar soll endgültig darüber entschieden werden.

 

Unklar ist noch die Größe des autofreien Gebiets. Die Minimalvariante umfasst nur das Karree zwischen Venloer und Vogelsanger Straße, Innerer Kanalstraße und Gürtel. Die größere Variante soll im Süden bis zur Weinsbergstraße und im Norden bis zur Subbelrather Straße reichen. Ein weiterer Vorschlag des Netzwerks nimmt zudem noch große Teile westlich des Gürtels hinzu, bis hin zum Alten Güterbahnhof. »Es wird auf jeden Fall mehr als die minimale Variante werden«, verspricht Bezirksbürgermeister Wirges. Am 28. Januar will man sich in der Bezirksvertretung einigen.

 

Noch nicht im Boot ist bislang die KVB. Die sei zwar Mitglied des Unterstützerkreises, weitere Zusagen gebe es aber noch nicht, so Brocchi. Dabei wäre die Teilnahme sehr wichtig. Denn eigentlich soll nach dem Willen der Veranstalter auch der öffentliche Personennahverkehr in Köln an diesem Tag kostenlos sein. Außerdem möchte Brocchi die U-Bahn-Stationen im gesamten Stadtgebiet für Ausstellungen, Konzerte und Diskussionen  nutzen. »Ein autofreier Sonntag klingt nur nach Verbot«, sagt er. »Aber wir wollen auch etwas anbieten, Chancen eröffnen.«

 

Auch die Finanzierung muss noch geklärt werden. Von der Stiftung Umwelt und Entwicklung gibt es 10.000 Euro, ein anderer Geldgeber könnte der Landschaftsverband Rheinland (LVR) sein. Brocchi hofft auf einen positiven Effekt durch die Teilnahme der Bezirksvertretung Ehrenfeld. Ein Teil des Geldes soll nun in Fundraising und die Entwicklung einer Kampagne investiert werden, auch ein Workshop mit Veranstaltern des autofreien Sonntags in Hannover ist geplant.«

 

So zufrieden Brocchi und seine Mitstreiter sind, dass man in Ehrenfeld dem Autofreien Sonntag positiv gegenübersteht, so bewusst ist den Beteiligten auch, dass Ehrenfeld eine Sonderrolle in Köln einnimmt. »Klar, in Ehrenfeld darf immer alles stattfinden, was grün und alternativ ist. Anderswo nicht«, weiß Brocchi. »Aber das wollen wir nicht akzeptieren. Wir wollen auch andere Veedel als Satelliten mit dabeihaben.« So gibt es dem Vernehmen nach auch in Deutz Ideen, zeitgleich ein Straßenfest auszurichten.

 

Dass der Autofreie Sonntag, der nach längeren Diskussionen im Beirat offiziell »Tag des guten Lebens: Kölner Sonntag der Nachhaltigkeit« heißt, in Zukunft zwangsläufig auch anderswo in Köln eine Rolle spielen wird, davon ist Brocchi überzeugt. »Die ökonomische und ökologische Entwicklung wird dafür sorgen, dass wir umdenken müssen. Wir wollen das nicht nur für 2013. Es geht nicht um ein Event, es geht um eine Bewegung.«