Villagers

Dank seiner schmächtigen Statur, der schmalen Schultern und des verhältnismäßig großen Kopfes könnte Conor J. O’Brien einen prima Peanuts-Charakter abgeben. Man würde den irischen Sänger und Songwriter gerne knuddeln und beschützen. Schließlich hat er eine schwere Last zu tragen, wenn man seinen traurigen Songs Glauben schenken darf. Verständlich, dass O’Brien in der Vergangenheit schon des Öfteren Vergleiche mit dem anderen berühmten Conor über sich ergehen lassen musste, dem von den Bright Eyes, mit dem er übrigens das zittrige Timbre in der Stimme teilt.

 

Spätestens mit dem zweiten, in diesen Tagen erscheinenden Villagers-Album »Awayland« dürfte sich O’Brien von den Bright Eyes emanzipiert haben. War das für den Mercury-Price nominierte Debüt »Becoming A Jackal« noch eine intime, im Alleingang eingespielte Singer/Songwriter-Angelegenheit, so kommt der Nachfolger nun in Cinemascope: Die Live-Band wurde im Studio zum festen Personal — und überhaupt wurde alles aufgefahren, was das gewiss üppig dotierte Produktionsbudget so ermöglicht. Das Statusbarometer schnellt bekanntlich am besten durch ein Streichorchester nach oben.

 

Sollte jemand in nächster Zeit mal wieder eine CD ins Weltall schicken, um den Marsmännchen zu demonstrieren, wie Indiepop 2013 klingt — »Awayland« wäre eine ausgezeichnete Wahl. Hier ist irgendwie alles vorhanden, nehmen wir die Single-Auskopplung »The Waves«: Der Track beginnt mit einem elektronischen Minmal-Beat, dazu singt O’Brien ein trockene Strophe, ein elegischer Pianolauf bringt den Pomp ins Spiel, zum zweiten Refrain dann: Gitarren, Drums und ein formvoll-endeter Bläsersatz und am Ende Feedbackgitarren, die schließlich ein brachiales Progressive-Rock-Finale entfachen. Ganz schön kühn, und ebenso gekonnt!

 

Die Villagers leisten sich den Luxus, jedem Song sein maßgeschneidertes Sound-Mäntelchen zu verpassen: Artpop, Pubrock, Cineastenschmock. Die dynamische Bandbreite reicht von kargem Minnesängergebaren bis hin zum Klanginferno. Was alle Songs eint, ist ihr perfektes Klangbild. Kein Ton geht daneben. Conor J. O’Brien  ist nämlich das genaue Gegenteil von Charlie Brown: Er hat alles unter absoluter Kontrolle.

 

Tonträger: Villagers, »Awayland« (Domino Records/ Goodtogo), bereits erschienen