Verwöhntes Selbstbewusstsein

Meisterschaft in Groove und Performance: Jamie Lidell

Einigen Glücklichen war es 2006 vergönnt, Lidell beim Jazzfestival in Moers live zu erleben. Ihm zur Seite: Gonzales! Gemeinsam ge--stalteten sie eine leider viel zu kurze Sternstunde höchst anspruchs-vollen Entertainments, will sagen, Groove und Performance gingen voll auf die Zwölf. Das Geschehen als fulminant zu bezeichnen darf auch heute noch als unbotmäßige Untertreibung gelten.

 

Lidell ist ein beneidenswerter Könner als Soundfrickler, Produzent und Sänger. Er ist eine der coolsten Rampensäue des Planeten, ach, und die Beatbox hat er auch oft dabei. Es ist völlig egal, ob er Breakbeat, Freestyle-Elektronik oder HipHop mit knallhartem Techno kollidieren lässt, sein überaus soulfuller Gesang, der eine mystische Verbindung zu Stevie Wonder nahelegt, schwebt über allem und treibt das Publikum vor sich her. Lidell hat als versierter Potischrauber immensen Erfolg, faszinierend ist, wie unverkrampft und energiegeladen er dabei seine Affinität zum Soul auslebt.

 

Jamie Lidell veröffentlicht Mitte Februar sein sechstes Album. Es trägt schlicht ergreifend seinen Namen. Das signalisiert Selbstbewusstsein und suggeriert, hier kommt der heiße Scheiß mit ganz persönlicher Note. Nach dem ersten Hören herrscht eine gewisse Ratlosigkeit. Es erklingen quasi 90er-Prince, 70er-Stevie-Wonder, die irgendwo dazwischen liegenden Cameo, 80er-Dance-floor-Geknacke, Ansätze des eben erwähnten Kollisionsgemisches und Lidells souveräner Gesang, alles lupenrein produziert. Mit Aus-nahme des ausgekoppelten »What A Shame«, das beim zweiten Hören Hitqualitäten offenbart, und »why-ya-why«, in dessen elektronische Dancemixtur Lidell elegant melancholischen New-Orleans-Jazz einpflegt, gibt es wenig, das sich ei-nem schnell aufdrängen würde. Also, wohlgemerkt, bei dieser Vorgeschichte! Jamie Lidell hat seine Fans bislang verwöhnt.

 

Anhören kann man sich sein Album ohne Zwang, es gibt keinen Grund, sich zu ärgern, aber irgendwie auch keinen, sich richtig zu freuen. Es ist aber zu erwarten, dass er, wenn er dieses Album konzertant präsentiert, das wird er übrigens im März in Köln tun!, wieder mal er-schreckend viel Gas gibt, die ver-borgene Schönheit und Qualität der Neuveröffentlichung heraus kitzelt und mit typisch Lidell’schen Live-on-Stage-Erlebnis-sensationen anreichert.