»Fotografie ist immer Inszenierung«

Alexander Basile fotografierte Kampagnen für Skatermagazine und belebt den Kunstbetrieb mit unverbrauchten Gedanken. Ein Atelierbesuch

Draußen tickt die Bahnhofsuhr im Neonlicht, drinnen sind die Scheinwerfer erloschen: Vor dem Südbahnhof liegt der Ausstellungsraum SSZ Sued von Alexander Basile, seit 2011 macht er hier regelmäßig Ausstellungen. Zurzeit pausiert der Betrieb. Dafür dringt aus dem Atelier, gleich hinter dem Ausstellungsraum, wohltemperierte Musik vom Plattenspieler. Das Licht ist gedimmt, rundherum liegen Bücher und Magazine, schön ordentlich auf Retromöbeln. Basile serviert Cappuccino in dickwandigen weißen Tassen wie beim Italiener.

 

»Fotografie ist immer Inszenierung«, sagt Basile. Mit seiner These, dass Fotografie vor allem eine soziale Konstruktion abbilde, stößt er vor bis ins Herz des offiziellen Kunstbetriebs. Mit Erfolg. Der gebürtige Kölner hat gerade den Förderpreis des Landes NRW für junge Künstlerinnen und Künstler erhalten. Im Februar sind seine Werke im Parcours der Videonale im Kunstmuseum Bonn zu sehen und im »EG-Null — Raum für junge Kunst« der Generali seine Einzelausstellung »Emerging Sculptures«.

 

Basile kommt von »draußen«, zwar hat er ein Postgraduiertenstudium an der Kunsthochschule für Medien absolviert, doch verrät die Kappe von »Carhartt« auf seinem Kopf viel eher, wo er her kommt. Als Skater auf der Domplatte sah er sich das Museum Ludwig jahrelang lieber von außen an. Er fotografierte Kampagnen für renommierte Skatermagazine und war viel unterwegs, in Barcelona, Sao Paulo, San Francisco. Die Magazine hätten schließlich immer öfter von ihm verlangt, nur die tollen Tricks zu fotografieren. »Mich hat immer das Ganze interessiert. Der Rahmen war mir irgendwann zu steif«, sagt Basile.

 

Auf der Domplatte wurden 2008 die Einfassungen der Steinbeete abgefräst, um den Raum von Skatern frei zu halten. Kurz vorher nahm Basile ein Foto von der Südspitze des Doms auf. Es zeigt Skater auf dem Roncalliplatz, wie sie Kanten nachfahren oder von der Architektur vorgegebene Linien durchkreuzen. »Das Kulturamt möchte das Bild gerne kaufen«, erzählt Basile. Darauf gehe er nur ein, wenn es im Sitzungssaal in Richtung des Doms aufgehängt werde — als Erinnerung daran, dass manche Entscheidung am Konferenztisch den Stadtraum unwiderruflich verändert, sagt der 31-Jährige, der sich als Pressesprecher des Vereins »Dom Skateboarding« für die Einrichtung des Skateparks Kap 686 am Agrippinaufer eingesetzt hat. »Aber politische Kunst finde ich echt scheiße«, fügt er noch hinzu.

 

Basile sucht mit seinen Fotografien, Videos, Buchprojekten oder Performances nach einer Öffnung, die drinnen und draußen verbindet. Mit der Ausstellung »Emerging Sculptures« bei Generali inszeniert er eine Art Fotostudio. Durch Scheinwerfer, die in den Außenraum strahlen, lädt er Passanten ein Bilder von sich selbst zu schießen. Alles, ob Möbel, Bücher oder Personen, werde vor der Linse des Fotografen zum inszenierten Objekt, betont der Künstler. Diesen Prozess, der gerade das Versprechen einer umfassenden Weltsicht durch Fotografie widerlegt, demonstriert er und versucht ihn gleichzeitig zu durchbrechen.

 

In seiner Einzelschau zeigt Basile auch eine Videoarbeit und ein fotografisches Triptychon mit dem Titel »Emerging Sculpture 1–3«. Zu sehen sind Gegenstände: Autos, Möbel, Bücher. In seinem Atelier, wo alles sehr bewusst geordnet ist, nimmt er zufällig gesehene Arrangements auf, die für ihn einer bestimmen Logik folgen. Manchmal sei da — gerade im Entstehen begriffen — etwas, das im Auge des Betrachters wie eine Skulptur wirke. »Emerging Sculptures« nennt er das, worin er eine neue Möglichkeit im Umgang mit Fotografie und Video sieht.

 

Ein Werk in bewegten Bildern ist im Parcours der Bonner Videonale zu sehen. »Emerging Sculpture 4« ist eine hochwertig produzierte Videoarbeit, die von stillen Momenten irgendwo auf der Bahnstrecke zwischen Köln und Bonn ausgeht. Sie endet mit einer anmutigen Sequenz in Zeitlupe: Die Hand einer Eiskunstläuferin dreht sich, wie auf dem Teller einer Spieluhr im glitzernden Gegenlicht von Scheinwerfern.

 

»Fotografie ist im besten Fall gut gemeinte Illustration«, das war der Titel einer Performance von Basile im Ausstellungsraum Deuxpiece in Basel. So feinsinnig, wie er seine Ideen zu Fotografie und Video verfolgt, arbeitet er auch an der eigenen Inszenierung. Bittet man den Künstler sich fotografieren zu lassen, nimmt er drei Bücher in die Hand, die lese er gerade alle gleichzeitig: Pop-Theorie, amerikanische Militärpolitik und Philosophie des Abendlandes. Der Künstler, Kurator, Fotograf legt sich nicht auf eines fest — und so möchte er gesehen werden.