Wohnen in Köln: Kollektiv barrierefrei

Es ist das zurzeit interessanteste Wohnungs- und Stadtteilentwicklungsvorhaben: Futur 3. Das sind zehn Aktivistinnen und Aktivisten, die sich vor zwei Jahren die ehemalige Polizeiwache in Kalk an der Kapellenstraße/Ecke Kantstraße ausgeguckt haben, um sie zu einem kollektiven Wohnprojekt für 35 Leute zu gestalten. Ihre alternative Lebensentwürfe treffen auf Politiker, die zunehmend mit Wohnungsmangel konfrontiert sind. Die Chance, sich zu einigen, stehen günstig. Futur 3 schließt gerade die Projektentwicklungsphase ab, bald kann die Gruppe die Kosten für den Umbau kalkulieren.

Was unterscheidet Futur 3 von anderen Hausprojekten? Wieso hängt ihr dieses Projekt so groß? 

 

Oskar Schlaak: Ich denke, es sind drei Punkte. Im Vordergrund steht der soziale Bezug zum Viertel. Wir wollen nicht einfach nur wohnen, sondern auch Platz anbieten für Veranstaltungen, wir wollen uns in Diskussionen, die den Stadtteil betreffen, einmischen. Und dazu gehört auch, dass wir nicht Vorreiter von Gentrifizierung sein wollen, wir wollen Mieten anbieten, die auch arme Leute und Hartz-4-Empfänger zahlen können. Das Zweite ist, dass wir eine gemeinsame Küche für alle, die im Haus sind, wollen. Mir schwebt auch vor, eine Volxküche für das Viertel anzubieten. Und dann geht es natürlich um die Auseinandersetzung mit Hierarchien. Für mich ist klar, in dem Projekt wird es keine Chefs geben, alle Leute, die da sind, haben die gleichen Voraussetzungen, gleiches Mitsprachrecht.

 

Alix Arnold: Genau, es geht eben nicht nur um Wohnraum. Unsere Kantine soll auch ein Treffpunkt sein und deshalb im Erdgeschoss liegen, gut zugänglich von außen. Ich habe lange im SSK-Ehrenfeld gewohnt und habe irgendwann mit Leuten zu diskutieren angefangen, wie könnte ein Wohnkollektiv aussehen, in dem man auch alt werden kann? Wohnen ist im SSK ja immer mit Arbeiten verbunden, aber was ist, wenn man keine Umzüge oder Entrümpelungen mehr machen kann? Die Idee vom SSK, dass man alles als Großgruppe regelt und organisiert, hat mir sehr gut gefallen. Das ist was anderes, als bloß ein Mehrgenerationenhaus. Letztlich lebt dort jeder für sich in seiner Wohnung, und es gibt als Extra noch einige Gemeinschaftsräume. Genau andersherum wollen wir es machen: Der Haushalt soll komplett gemeinsam gestaltet werden, dann hat noch jeder sein Zimmer, in das er oder sie sich zurückziehen kann.

 

Wird man in so einer Konstellation nicht von der Gruppe aufgefressen? 

 

Alix Arnold: Meine Erfahrung mit kleinen WGs ist, dass du dich dort kaum zurückziehen kannst, da geht es viel familiärer zu. Wenn du mit vier Leute zusammenwohnst, und eine klinkt sich aus, weil sie gerade mit was anderem beschäftigt ist, gibt es schnell Stress. Bei vierzig Leuten fällt das viel weniger auf, die große Gruppe bietet dir mehr Rückzugsmöglichkeiten, die Balance zwischen Privatheit und Gemeinschaftsleben kann da besser gelingen.

 

Auch wenn es sich in der Stadtplanung und in der Wohnungspolitik noch nicht niederschlägt, kann man doch bei vielen Leuten ein gesteigertes Interesse an anderen Wohnformen ausmachen. Das ist gar nicht mal explizit politisch, sondern viele Leute, die bislang in Single-Hauhalten oder Kleinfamilien gelebt haben, sehen, dass es einfacher sein kann, wenn man die Alltagslast auf viele Schultern verteilen kann. Würdet ihr Futur 3 auch in diesen Aufbruch einreihen?

 

Alix Arnold: Ich sehe es auch so, dass es da ein neues Interesse gibt. In der ersten Phase von Kommunen und WGs, also vor 40, 45 Jahren, war das noch sehr politisch aufgeladen, dann hat sich der Pragmatismus durchgesetzt, es ging eher darum, günstiger zu wohnen. In den Diskussionen und Veranstaltungen, die wir gemacht haben, kriege ich mit, dass Leute wieder bereit sind, weitgehender zu diskutieren — über größere Kommunen und gemeinsame Ökonomie. 

 

Neu ist vielleicht, dass ihr nicht konfrontativ vorgeht, sondern die Kooperation mit der Politik sucht. 

 

Oskar Schlaak: Aus Politik und Verwaltung gibt es eine Menge Stimmen, die unser Projekt aufmerksam verfolgen und bereit sind, sich auf Verhandlungen einzulassen. Wir sind uns als Gruppe darin einig, dass wir gute Chancen haben, das Haus auf diesem Wege zu kriegen.

 

Alix Arnold: Wir wollen die alte Polizeiwache so gestalten, dass kollektives Wohnen möglich ist, unser Architekt Bodo Marciniak hat Pläne entworfen, in denen durch den Einbau eines Atriums alle Zimmer mit allen verbunden sind. Es soll eine hohe Lebensqualität aufweisen, barrierefrei natürlich. Wir planen Dachterrassen und Balkone. Wir werden das Haus nicht nach unseren Plänen umbauen können, wenn wir es besetzen und wir keinen legalen Status haben. Der Vorteil an dem Gebäude für uns ist, dass es sich als normales Bürogebäude nur schwer nutzen lässt und dass es auch sehr aufwändig wäre, reguläre Etagenwohnungen zu schaffen. Es ist für eine kommerzielle Nutzung schlicht unattraktiv. Die Stadt ist mit zunehmender Wohnungsnot konfrontiert. Hier hätte sie nun die Möglichkeit, ein Projekt zu unterstützen, bei dem Leute, die es am Wohnungsmarkt schwer haben, in Selbsthilfe bezahlbaren Wohnraum schaffen.

 

Wie seid ihr auf das Gebäude gestoßen? 

 

Alix Arnold: Wir haben uns für ein öffentliches Gebäude entschieden, weil wir von Anfang an darauf gesetzt haben, dass die Stadt uns vielleicht unterstützen wird. Zuerst hatten wir uns nach leer stehenden Schulen umgeguckt, haben aber festgestellt, dass die architektonisch ungünstig sind, die Klassenräume sind einfach zu groß. Kalk ist für uns ein Stadtteil erster Wahl gewesen, einige aus unserer Gruppe wohnen schon in Kalk, es passiert dort gerade sehr viel. Wir haben uns dort umgeguckt, und dann fiel uns dieser eigentlich sehr hässliche Kasten auf.

 

Zu der Geschichte von Haus-Wohnprojekten gehört auch die des Niedergangs: Man kennt die Erzählungen von Platzhirsch- und Wagenburg-Mentalität. Woran, denkt ihr, liegt das, dass so viele Vorhaben scheitern? 

 

Oskar Schlaak: Wenn die Projekte es nicht schaffen, das soziale Leben kollektiv zu regeln, zerfallen sie. Der Zerfall hat auch immer damit zu tun, dass man nebeneinander her lebt, sich voneinander absondert. Dann spielen auch Haltungen wie »Ich wohne doch hier schon viel länger als du!« eine Rolle. Wir wollen das zunächst über eine Architektur lösen, die Gemeinsamkeit fördert, da steht die Küche im Mittelpunkt. Dann darüber, dass wir uns dem Leben um dem Haus, der Nachbarschaft, dem Viertel öffnen. Aber das ist natürlich nicht alles. Es geht um den Konsens im Haus, gemeinsam leben zu wollen, sich darauf auch einzulassen. Das ist sehr schwierig, setzt viel Verantwortungsbewusstsein voraus. Man muss diesen Weg gehen wollen, anders geht es nicht.