Henrik Hanstein, geboren 1953, ist Chef des ­Kölner Auktionshauses Lempertz, der ältesten Familienfirma in der Auktionsbranche.

Die Zukunft der Kunst

»Hier herrscht das freie Spiel der Kräfte«

Henrik Hanstein, Chef des Kölner Auktionshaus Lempertz, hat zuletzt viele Interviews zum Kunst­fälscher­­skandal geben müssen. Unser Gespräch ist zweifelsfrei ein Original und Hanstein ein präziser Kunstmarktanalytiker Kunst nur noch verschenken? So eine Haltung kann ich verstehen, die Kommerzialisierung der Kunst ist schon unglaublich. Der Druck, der dadurch auf den Künstlern lastet, ist sehr stark. Aber der Druck, den die Künstler machen, ist auch enorm, viele sind verdammt interessiert, gute Preise zu erzielen und machen Kunst, um damit Geld zu verdienen. Heute wird ja schon an den Akademien nach den Stars gesucht. Das hat auch mit dem stark angestiegenen Interesse an Zeitgenössischer Kunst zu tun. Es ist die Entwicklung seit dem 20. Jahrhundert, dass sich jeder mehr individualisiert, seine persönliche Sprache, Symbolik oder Schrift hat, sich damit identifizierbar machen möchte und zu einem Trademark wird.

 

Alles kann ein Auktionshaus aber auch nicht verkaufen: Es gibt Entwicklungen in der Kunst, die sich dem Markt sehr stark entziehen, bei der Videokunst etwa merkt man, dass sie, bis auf wenige Ausnahmen, keinen Einzug in die Auktionssäle hält. Kunden, die mehrere Tausend Euro für Kunst ausgeben, wollen etwas Haptisches, ein Gemälde, eine Zeichnung, eine Skulptur, ein Designobjekt. Nicht etwas, dass beliebig reproduzierbar ist. Die Kunst der sogenannten Neuen Medien hat unglaubliche visuelle Möglichkeiten, aber es gibt das Problem der Archivierung, denn die digitalen Daten von heute kommen in zwanzig Jahren nicht mehr mit der Hard- und Software zurecht.

 

Alles sollte ein Auktionshaus aber auch nicht verkaufen! Auktionshäuser sind die letzten Markwirtschaftler, hier herrscht das freie Spiel der Kräfte. Derzeit ist die Nachfrage größer als das Angebot, was für den Kunstmarkt natürlich fabelhaft ist. Aber sie wird zu schnell wieder verkauft. Es gibt Sammler, die zu schnell Geld machen wollen. Daher der preistreibende Druck, der den Künstlern und dem Handel schadet. Da spielen aber auch viele Künstler mit, vermarkten sich selbst. Beuys war ein wunderbarer Selbstdarsteller, der keine Galerie wollte und brauchte. Genauso wie Jeff Koons oder Damien Hirst.

 

Als Auktionshaus hat man Verantwortung gegenüber der Aura der Kunst: Wir hatten ein Werk angeboten bekommen, das eine Sensation ist: ein gotisch bemaltes Kreuz, 2,5 Meter groß, das 600 Jahre, bis 1946, in einer venezianischen Kirche hing. Wir haben uns direkt entschieden, es nicht zu versteigern, stattdessen haben wir es gekauft und zurück an die Kirche gestiftet. Papst Benedikt hat sich sehr gefreut und es als wichtiges Signal aus Deutschland verstanden. Er hat mir aber trotzdem keine Absolution als Kunsthändler erteilt.

 

Der Kunstmarkt in zwanzig Jahren? Eine kurze Zeitspanne für einen so alten Markt, so viel Grundsätzliches verändert sich sicherlich nicht. Er wächst mit den Medien, so wie er es immer getan hat. Ich vermute, dass sich der Boom für die Zeitgenössische Kunst relativieren und es vielleicht in der jüngeren Generation weniger Sammler geben wird.