Anonyme Investoren

Windiges Finanzierungsmodell soll

den CSD Köln vor der Pleite retten

Das Vorgehen legt den Schluss nahe, dass der KLuST eine offene Diskussion in der Community unbedingt verhindern wollte«, teilt die Regenbogenliste in einer Pressemitteilung am 10. Oktober mit. Am Abend zuvor war auf der Mitgliederversammlung des Kölner Lesben- und Schwulentages (KLuST), auf der es um die Zukunft des CSD ging, die Bombe geplatzt. Zum Erstaunen aller zauberte der KLuST-Vorstand eine vermeintliche Lösung für den CSD 2003 aus dem Hut: Das Straßenfest soll an eine externe Gsellschaft vergeben werden. Eine Investorengruppe habe sich bereit erklärt, das wirtschaftliche Risiko zu tragen. Verführerische 150.000 Euro als Einlage sollten Appetit machen. Einzige, aber zwingende Bedingungen: Die Geldgeber müssten anonym bleiben. Und die Entscheidung müsse sofort, an diesem Abend getroffen werden. Sonst würden die Inkognito-Investoren aussteigen. Obwohl kein Finanzierungskonzept vorlag, stimmte die Mitgliederversammlung dem Antrag mit 39 gegen 24 Stimmen zu.
Hintergrund des dramatischen Geschehens: Nur wenige Wochen nach dem CSD 2002, der im Zeichen des Europride stand, musste die CSD-Veranstaltungs GmbH Insolvenz anmelden. Ein Defizit von über 200.000 Euro zwang die Organisatoren in die Knie. Dabei sollte der Europride ein Fest der Superlative werden. Der KLuST sprach dann auch vom bisher größten europäischen CSD und nannte immer neue Rekordzahlen. Über 70.000 TeilnehmerInnen bei der Parade, 140 Wagen und über eine Million BesucherInnen auf dem Straßenfest, so die offizielle Schätzung. Was hätte da schief gehen sollen?
Doch seit Anfang Oktober ist es amtlich. Die CSD-GmbH, logistischer Organisator des Straßenfestes, ist zahlungsunfähig und kommt aus den Miesen nicht mehr raus. Knapp eine Million Euro hatte der Großevent geschluckt, finanziert durch ehrenamtlichen Einsatz, Sponsoren, Benefiz und hauptsächlich durch den Getränkeverkauf an den CSD-Bierständen. Altschulden aus dem letzten CSD und das schlechte Wetter hätten das große Loch auf der Einnahmenseite verursacht, so die CSD-GmbH. KritikerInnen sahen eher den zu hohen Bierpreis als Ursache für das Defizit. »Wir konnten offensichtlich in der Szene nicht vermitteln, dass der Bierpreis von 1,80 Euro auch ein Solidaritätspreis zur Finanzierung des CSD ist«, versucht Eva Middelhoff, Geschäftsführerin der CSD-GmbH, den happigen Preis zu rechtfertigen.
Für weiteren hausgemachten Ärger sorgten die Organisatoren bei den Wirten der Getränkestände durch ein offensichtliches Abrechnungschaos. 20 von 24 Ständewirten wurde unterstellt, sie hätten entweder die Getränkefässer falsch abgerechnet oder Geld unterschlagen. »Ich fand es eine Unverschämtheit, dass die GmbH uns unterstellt, wir hätten in die Kasse gegriffen«, ärgert sich Petra Pleis vom Heartbeat-Stand noch heute. Knapp 5.000 Euro soll sie nachzahlen. »Insgesamt wurden wohl um die 65.000 Euro von den Wirten nachgefordert. Das ist etwa die Summe, die der CSD letztes Jahr Verlust gemacht hat«, ergänzt Pleis. Auch Willi Schenk vom Vorstand des »Schwips« schüttelt den Kopf über soviel Unprofessionalität: »Wir sollten 2.300 Euro nachzahlen. Ich habe daraufhin die Quittungen geprüft und bin auf 153 Euro Miese gekommen.«
Abgesehen von der Krisenstimmung aufgrund des finanziellen Desasters gibt es auch konzeptionelle Kritik: Die Parade, der politische Höhepunkt des CSD, sei zu unpolitisch und verkomme mehr und mehr zu einer Werbe-Parade, meinten die KritikerInnen. Der KLuST sieht das anders: Das Verhältnis von politischen und kommerziellen Wagen sei 55 zu 45. Auch das Straßenfest sei nur noch ein »Spaßfest«, so die KritikerInnen weiter, und entferne sich von den Ursprüngen des internationalen Gedenk- und Feiertags der Lesben und Schwulen. Zur Erinnerung: 1982 gingen etwa 500 DemonstrantInnen beim ersten CSD Köln gegen Diskriminierung von Lesben und Schwulen auf die Straße. Heute ist der CSD ein Großereignis. Welche Risiken diese Entwicklung birgt, zeigt die Insolvenz der CSD-GmbH. Drohende Pleiten sind jedoch keine kölnspezifische Erscheinung. Der »Mardi Gras« in Sydney und London sind pleite, auch Amsterdam musste das Aus eingestehen. Aber hier sprang die Stadt in letzter Minute ein und kam für den Minusbetrag auf.
Bislang ruhte die Organisation des hiesigen CSD auf drei Säulen: Der KLuST ist zuständig für die politische, inhaltliche und künstlerische Arbeit sowie für die Durchführung der CSD-Parade. Für die logistische Organisation des Straßenfestes wurde 1998 die CSD-Veranstaltungs GmbH gegründet, um das finanzielle Risiko für den KLuST zu minimieren. Die AIDS-Hilfe Köln schließlich ist Ausrichter der CSD-Eröffnungsgala. Die Einnahmen kommen ausschließlich der AIDS-Arbeit in Köln zugute.
Mit der Entscheidung der KLuST-Mitgliederversammlung zugunsten von Inkognito-Investoren steht die bisherige Struktur zur Disposition. »Die politische Verantwortung wurde zu einem Großteil in die Hände anonymer Geldgeber gelegt und den KLuST-Mitgliedern entzogen«, kommentiert die Regenbogenliste. »Damit ist die gesamte Legitimation des CSD und der Rückhalt in der Community in Frage gestellt.«