Die Alten Meister wirken lassen

Der neue Direktor des Wallraf-Richartz-Museums Marcus Dekiert im Gespräch

Herr Dekiert, was hat sie nach Köln gelockt, das Haus oder die Stadt?

 

Eindeutig beides! Ich war zehn Jahre in München an einem tollen Museum, jetzt war es Zeit für eine neue Herausforderung. Das Haus hat eine wunderbare Sammlung und ich habe früher schon in Köln gelebt. Es war wirklich das Paket.

 

Zum Paket gehört das bekannte kulturpolitische Handicap dieser Stadt, sind Sie vorgewarnt?

 

Ich kenne die Situation und ich will gar nicht verhehlen, dass mancher, dem ich in München von meinen Köln-Plänen erzählt habe, etwas reserviert reagiert hat. Davon darf man sich nicht abschrecken lassen. Eine Schwierigkeit liegt in der finanziellen Ausstattung. Köln muss gerade sehr viel bewältigen, von den vielen Museen über die Bühnen bis hin zum Stadtarchiv...

 

In den Medien war vom »überraschenden« Ausscheiden ihres Vorgängers die Rede. Tatsächlich hatte Andreas Blühm seine Unzufriedenheit mehrfach öffentlich geäußert. Sie betraf vor allem zwei Punkte: die Verzögerungen beim Erweiterungsbau und bei der Eigenständigkeit.

 

Das sind zwei ganz wichtige Fragen. Mit der Erweiterung sieht es sehr gut aus: Die Ratsbeschlüsse liegen vor, die Absichtserklärung des Stifterrats, den Architektenwettbewerb finanziell zu ermöglichen, und es gibt einen Zeitplan. Der Auslobungstext für den Wettbewerb soll dieses Jahr über die Bühne gehen.

 

Wie erklären Sie den Kölnern, dass man Neubauten braucht, wo die Stadt schon Probleme hat den Bestand zu erhalten, zu pflegen und anständig auszustatten?

 

Dem Stifter Gérard Corboud wurde versprochen, dass seine Sammlung hier im Haus in einem großen Umfang präsentiert wird, das ist derzeit räumlich nicht möglich. Was die Kosten betrifft, soll das Modell einer Public Private Partnership dem Investor auch eine kommerzielle Nutzung ermöglichen — eine Novität, unter weitgehender Schonung städtischer Mittel. Das wird momentan geprüft, und ich finde das ist eine gute Sache. Es ist wichtig, dass eine Kunststadt wie Köln auch in Zeiten knapper Kassen darüber nachdenkt, wie man das Ganze sinnvoll erweitern kann.

 

Punkt zwei ist der Eigenbetrieb: Haben Sie Erfahrung mit diesem Modell?

 

Nein, aber ich habe mich mit den verschiedenen Betriebsformen und Erfahrungen auseinandergesetzt. Die sind überall, wo ich Gespräche geführt habe, positiv. Derzeit gibt es in Köln aber Strukturen in der Stadtverwaltung, die sich gegenseitig blockieren. Streng genommen heißt es ja »Eigenbetriebsähnliche Einrichtung« — an dem Begriff merkt man schon, wie halbherzig dieser Schritt letztlich ist. Wenn, dann sollte man es richtig machen.

 

Was die Sammlung betrifft, wollen Sie das Mittelalter stärker in den Vordergrund rücken. Wie begeistern Sie ein heutiges, im besten Falle junges Publikum für die Alten Meister?

 

Wir eröffnen dieses Jahr eine große Ausstellung zum Mittelalter, »Geheimnisse der Maler«, da wird man gleichsam hinter die Bilder schauen, mit den Möglichkeiten heutiger Technologie wie Infrarotkameras und Röntgenstrahlen. Wenn man vor Stefan Lochners Madonna im Rosenhag steht kann man erfahren, dass sie mit feinstem Pinsel in monatelanger Arbeit entstand. So lässt sich auch das Lebensgefühl des Mittelalters evozieren. Diese Themen interessieren ja außerhalb des Museums viele Leute sehr, in Büchern, Filmen, und wir können das hier aufgreifen.

 

Wirken nicht gerade die alten Werke als Bild sehr stark, auch ohne technische Raffinessen?

 

Ja! Deswegen finde ich auch ein Übermaß an Dekoration störend, übrigens auch an übermäßiger Didaktik. Das Werk muss im Mittelpunkt stehen: Der erste Zugang zu einem Bild, egal ob es ein mittelalterliches ist oder eines von Anselm Kiefer, ist ein sinnlicher Eindruck. Ich kann und soll es zunächst als Kunstwerk wahrnehmen, das handwerklich gemacht ist, darüber staunen — wenn dieser Zugang gelingt, biete ich zusätzlich Hintergrundwissen an, etwa über Audioguide oder Kataloge.

 

Haben Sie schon eigene Ausstellungsprojekte geplant?

 

Bei der alten Kunst gibt es eine mehrjährige Planungszeit. Vor der Mittelalterschau zeigen wir Wilhelm Leibl und August Sander in einer ungewöhnlichen Kombination aus Malerei und Fotografie, welche im Haus Tradition hat, sowie kleinere Präsentationen in der Sammlung. Ab 2015 wird es dann eine Planung von mir geben, die abzustimmen ist mit dem Erweiterungsbau.

 

Aus dem Ungers-Bau wurde unter ihrem Vorgänger durch Umbauten und ornamentale Wandgestaltungen eher ein Blühm-Bau. Wie wird der Dekiert-Bau aussehen?

 

­Andreas Blühm hat in der Tat viele Änderungen vorgenommen. Ich hätte manches davon anders gemacht, weil ich in der ständigen Sammlung die dekorative Strukturierung der Räume — im Mittelalter blaue Wände mit goldenen Sternen oder Kirchenbänke — etwas zu weitgehend finde. Solche Mittel sind sehr statthaft, um Sonderausstellungen zu inszenieren, aber nach sechs oder sieben Jahren werden sie zum Inventar. Da bin ich etwas puristischer. Mit dem Anbau werde ich auch hier Veränderungen vornehmen, aber nicht im Sinne eines Aktionismus. Ich sehe keinen Sinn darin, ein eigenes Konzept in den ersten Wochen umzusetzen, Bilder von rechts nach links zu hängen und die Wände zu streichen.