Verschachert

Die deutsch-kenianische Theaterproduktion Mitumba kritisiert das Geschäft mit ­Kleiderspenden

Das Happening »Mitumba« von Choreografin Stephanie Thiersch wirkt lange nach. Kleidungstücke betrachtet man danach als Dinge, die Menschen im Stadtgetümmel an sich herumtragen und nicht mehr als modischen Ausdruck des Zeitgeistes. Die Jacke steht für sich. Sie ist zufällig da, sie könnte aber auch an einem ganz anderen Ort auf der Welt sein.

 

Mitumba bezeichnet die in Europa von karitativen Organisationen eingesammelten Keiderspenden, die bergeweise nach Afrika verschifft werden. Dort leben tausende von Kleinhändlern von ihrem Weiterverkauf. Stephanie Thiersch inspirierten die kilometerlangen Kleidermärkte in Kenia, sich diesem Wirtschaftskreislauf zu widmen. Mit ihrem Ensemble Mouvoir und afrikanischen Tänzern und Musikern hat die Choreografin dazu kein Bühnenstück geschaffen, sie hat eine solche Verkaufsaktion inszeniert.

 

Am Eingang bekommen die Zuschauer an mehreren Verkaufsständen Mäntel, Hosen und Hemden angeboten. Fast jeder kauft etwas für ein paar läppische Euro. Musiker spielen am Rande des Platzes Jazz. Dessen Mitte räumen alle brav frei, sobald eine tänzerische Aktion startet. Die als Kind verkleidete Mu-Yi Kuo wird herumgetragen wie ein Ding. Drei Afrikaner machen mit gebeugtem Oberkörper wendige Tanzschritte. Ein Dialog erörtert das Prinzip Mitumba. Die Protagonisten schlagen die Second-Hand-Klamotten auf den Boden, schleudern sie hoch, rufen und werfen sich selbst ihnen hinterher. In Altkleiderfantasien staksen die Protagonisten über einen Laufsteg; in einer Auktion werden sogar zwei Tänzer feilgeboten: »Er hat ein schönes, schwarzes Sixpack, macht aber Probleme«, »Der hat ein weißes Visum, keine Probleme«. Mit dem Holzhammer, wenn auch ironisch gebrochen, wird die Frage nach dem unerbittlichen Hunger des globalen Marktes gestellt. Bei der Premiere im Rautenstrauch-Joest-Museum klemmt dieses sympathische Happening noch etwas. Das Ungebügelte steht ihm dennoch ausgezeichnet.

 

Am 3. Mai kann man »Mitumba« in der alten Feuerwache noch einmal erleben im Rahmen des Festivals Tanz NRW, das in acht Städten dreißig Produktionen der Freien Szene präsentiert. Am selben Abend zeigt dort Gudrun Lange die neueste ihrer klugen Inszenierungen: In »Ich geschichtet« vermischen sieben junge Frauen unzählige Tanzstile, eigene Geschichten und Historisches. Ebenfalls aus der Düsseldorfer Brutstätte FFT kommen Verena Billinger und Sebastian Schulz mit ihrer Performance »First Life — Ein Melodram«, die reale und fiktive Paarbeziehungen entwirft.