StadtRevue liest

John D’Agata/Jim Fingal, »Das kurze Leben der Fakten«

 

Es war ein Mittwoch, als ich »Das kurze Leben der Fakten« in nur einer Stunde las. Es regnete, ich saß im ICE von Köln nach Kassel. Wegen eines »Personenschadens« verzögerte sich die Fahrt um eine Stunde. So weit alles korrekt? Um derlei Fakten zu überprüfen, leisten sich Redaktionen in den USA sogenannte Fact-Checker. Um einen solchen geht es in »Das kurze Leben der Fakten«. Der Essayist John D’Agata hat eine Reportage über den Selbstmord eines jungen Mannes in Las Vegas geschrieben. Das Buch zeichnet den E-Mail-Verkehr zwischen D’Agata und dem Fact-Checker Jim Fingal auf und erzählt somit die Geschichte der Reportage, inklusive Postproduktion sozusagen. Es geht um simple Fakten wie Namen von Bars oder Verkehrstote pro Jahr, aber auch um komplexe Fragen wie die, ob der Hinduismus Selbstmord ablehnt. Der Subtext ist klar: Was ist erlaubt beim Schreiben? Was ist künstlerische Freiheit, was Verzerrung der Realität? Das alles ist zum einen erhellend und zum anderen ulkig, wenn sich die Kontrahenten beschimpfen. »Dein Pimmel muss so wahnsinnig viel größer sein als meiner«, schreibt D’Agata, als Fingal ihn auf den allzu laxen Umgang mit dem Begriff der »Umkehrform der Sapir-Whorf-Hypothese« hinweist. 

 

Hanser 2013, 174 S., 19,90 Euro