»Obdachlose werden an der Straßenecke zusammen­geschlagen und keiner nimmt Notiz davon« Bruder Markus, Obdachlosenseelsorger. Foto: Manfred Wegener

Mein Boss ist Gott: »Man kann’s auch positiv sehen«

Auch wenn die Arbeits­bedingungen fragwürdig sind, so leisten die meisten kirchlichen Träger doch wichtige Arbeit

Im ehemaligen Franziskanerkloster an der Nord-Süd-Fahrt wärmt Bruder Markus ein Mikrowellengericht auf, während Schwester Franziska mit dem Bestatter ­telefoniert. Ein Wohnungsloser ist gestorben, und jetzt ­sorgen sie da­für, dass es für ihn eine würdige Beerdigungsfeier gibt.

 

Auch um solche Sachen kümmern sie sich hier bei Gubbio, der Obdachlosenseelsorge-Station an der Ulrichgasse. Sie feiern mit den Obdachlosen Weihnachten und lassen sie im Winter im alten Pfortentrakt des Klosters übernachten, der mit seiner Theke und den Tischgruppen reichlich angestaubten Teeküchencharme verströmt. Gubbio wird allein vom Erzbistum Köln und aus Spenden finanziert. Die beiden Franziskaner sind direkt beim Erzbistum angestellt; als Ordensleute behalten sie selbst nichts vom Gehalt. Das kirchliche Arbeitsrecht ist bei ihnen kein Thema. Worüber sie stattdessen reden? Zum Beispiel, »dass Obdachlose an der Straßenecke zusammengeschlagen werden, und keiner nimmt Notiz davon«, sagt Bruder Markus.

 

Wenn man die Arbeitsbedingungen bei kirchlichen Trägern kritisiert, kommt man nicht umhin, auch einen Blick auf die Inhalte dieser Arbeit zu werfen. »Mit der Kirchensteuer werden Dinge finanziert, die nicht öffentlich zu finanzieren sind, zum Beispiel Obdachlosenseelsorge oder die Arbeit mit illegalen Flüchtlingen. Denn dafür stehen ja keine öffentlicher Gelder bereit«, so Peter Krücker, Leiter der Kölner Caritas.

 

Für diese Arbeit bekommen die kirchlichen Organisationen auch von anderer Seite Anerkennung. Von Ossi Helling zum Beispiel, dem sozialpolitischen Sprecher der Grünen-Fraktion im Rat der Stadt und Vize-Vorsitzenden des Sozialausschusses. Hellings Anliegen ist die Chancengerechtigkeit, und wenn es bei Rot-Grün im Rat um Kür­zun­gen im sozialen Bereich geht, ist der 62-Jährige so etwas wie das soziale Gewissen seiner Partei. »Die Ideologie der katholischen Kirche kann man auch positiv sehen, denn dort werden immerhin Solidarität und Humanität vertreten«, sagt er. Das zeige sich etwa auch darin, wie sich katholische, aber auch die evangelischen Vertreter am Runden Tisch für Flüchtlingsfragen engagierten. »Und die Vertreter der Caritas Köln gehörten zu den ersten, die etwa die Tafeln auch kritisch gesehen haben und eine öffentliche Debatte über Sozialpolitik und Armut in Deutschland angestoßen haben«, so Helling. Die kirchlichen Träger seien zwar auch betriebswirtschaftlich ausgerichtet, aber das Engagement für die Menschen sei keineswegs schlechter als das so mancher privater Firma, die keinen religiösen Hintergrund habe und in der es nur darum gehe, im Pflegebereich Geld zu verdienen.

 

Michael Paetzold kann ihm in diesem Punkt zu­stimmen. Der SPD-Politiker leitet nicht nur den Sozialausschuss, sondern ist auch Aufsichtsratsvorsitzender der Kliniken der Stadt Köln und sitzt außerdem im Vorstand des Sozialdiensts katholischer Männer (SKM). Er sieht kei­ne Probleme in der Zusammenarbeit mit konfessionellen Häusern, »solange sie sich zum Versorgungsauftrag bekennen«, sagt er in Hinblick auf den Pille-danach-Skandal. Stattdessen hebt er einen Vorteil hervor: »Kirche können in viel größerer Zahl Ehrenamtliche aktivieren als die Stadt.«

 

Das deutsche Wohlfahrtsmodell ist europaweit ein Einzelfall. Und zwar ein sehr erfolgreicher, findet Krücker von der Caritas. Er kennt die Kritik an der katholischen Kirche und an den konfessionellen Wohlfahrtsverbänden. Für ihn steht allerdings etwas anderes im Vordergrund: »Die Bundesrepublik hat davon profitiert, dass sich der Staat die Verantwortung mit Kirchen und Freien Wohlfahrtsträgern teilt. Wir haben eine bessere soziale Infrastruktur als andere Länder wie etwa England, Italien oder Frankreich. Das ist auch der Kirche zu verdanken.«