Erinnerung als soziale Skulptur; Foto: Yael Bartana

Stop and think!

Die Künstlerin Yael Bartana verpflanzt mit der Performance »Zwei Minuten Stillstand« den Gedenktag Jom haSho‘a nach Köln

Sirenen heulen. Bahnen und Busse stoppen, Autos stehen, Menschen halten schweigend inne. Für zwei Minuten ist der Holocaust im kollektiven Gedächtnis präsent, am Gedenktag Jom haSho‘a in Israel. So ähnlich verliefe in der Vorstellung der israelischen Künstlerin Yael Bartana das ideale Szenario in Köln am 28. Juni um 11 Uhr.

 

Der Enkelin polnischer Zionisten gelang vor zwei Jahren bei der Biennale in Venedig mit einer utopischen Installation über die Rückkehr der jüdischen Diaspora nach Warschau ein provokanter Kommentar zum polnischen Antisemitismus und gleichzeitig zu Israels Siedlungspolitik. Mit Vorliebe operiert die Wahl-Berlinerin im Grenzgebiet zwischen Kunst und Leben, die Schranken der Realität stets im Blick. Jetzt versucht Bartana für das Theaterfestival »Impulse« mit der Performance »Zwei Minuten Stillstand« den Gedenktag Jom haSho‘a nach Köln zu verpflanzen. In der wochenlangen Vorbereitung der 120 Sekunden Intervention kontaktierte die Künstlerin Ver­treter der Stadt, der KVB, des NS-Dokumentationszentrums und jüdische Organisationen. Sollten bis dato alle Gespräche positiv ­ausgehen, wird der öffentliche ­Verkehr in Köln für zwei Minuten stillstehen.

 

Bei Fußgängern, Rad- und Autofahrern enden die Einflussmöglichkeiten, und auch die Sirenen bleiben still. Die Künstlerin bleibt gelassen. »In Israel wurde das über Jahre etabliert. Hier können wir erst mal nur etwas säen.« Die Saat wird im Vorfeld in Form einer interaktiven Website, Socialmedia und Flyern gestreut und soll nach der zentralen Performance am Roncalliplatz ein Eigenleben entwickeln. Für Yael Bartana kommt es darauf an, Geschichte aktiv in die Zukunft zu transportieren. Ein Prozess, der über Gespräche, Gedanken und Gefühle funktionieren soll. Die Künstlerin sieht die Aktion als offene Plattform und will nichts erzwingen. »Wir möchten mit dem Pausieren eine Chance bieten. Wir sind ja keine faschistische Bewegung.«