Psychedelisches Selbstfindungskonzert

In »Alice’s Dinerparty« jagt die Heldin ihren ­zersplitterten Ichs hinterher

Diffuses Licht, Bässe wummern. Am Ende der Halle schimmert durch große, durchsichtige Kunststofflammellen ein blattloser Baum, an dem eine blonde Perücke baumelt; daneben steht ein Reh. Eine Frauengestalt (Lisa-Gwendolin Eichberger), ins Gegenlicht getaucht, bewegt sich wie in Zeitlupe auf das Publikum zu. ­Alices Fall durch das Kaninchenloch in das merkwürdige Wunderland erinnert hier an eine Geburt.

 

 

Schnell wird klar, dass die Geschichte der kleinen Alice mit ihrem Repertoire aus Wahnsinn, Wahrnehmungs-, Raum- und Zeitverschiebungen, die Lewis Carroll Mitte des 19. Jahrhunderts schrieb, an diesem Abend alles andere als harmlos ausfallen wird. Das Ein-Personen-Stück, das Raum13 unter dem Titel »Alice’s Dinnerparty« zeigt, ist als Reihe angelegt. Die Protagonistin wird im Wechsel von namhaften Musikern begleitet. Im April war es Tausendsassa FM Einheit, im Mai der Elektroniker Hans Nieswandt und im Juni wird es die Eklektikerin DJ Marcelle sein.

 

 

Die Geschichte der Identitätssuche schält sich nach und nach aus eigenen Textfragmenten und Dialogen aus der Vorlage heraus. Man trifft auf die Grinsekatze oder etwa die dicke Raupe mit der Wasserpfeife. Mal übernimmt Eichberger die Rolle der Erzählerin, mal spielt sie die Rollen mit kleinen Handpuppen im Zwiegespräch

 

 

mit sich selbst. »Alle tun immer so als ob«, beschwert sich Alice beim Publikum. »Als ob sie glücklich wären, als ob sie ehrlich wären.« Während ihrer Anklage schlägt sie wie eine Furie zum wiederkehrenden Ruf »Als ob!« martialisch auf ein großes Metallfass ein, was gehörig an die Schmerzgrenze geht. Die Musik von FM Einheit wabert dazu im Hintergrund. An anderen Stellen unterbricht der Sound die Handlung, so dass ­Eichberger ihren Text immer wieder an die Stimmung der verspulten ­Elektroklänge anpassen muss. Ihr Spiel ist ausdruckstark und wird virtuos, wenn sie sich selbst auf dem Keyboard begleitet und in der Szene mit dem verrückten Hutmacher »Mad World« von Tears For Fears singt.

 

 

Diese Dynamik lässt die gut zwei Stunden wie im Flug vergehen. Aber was ist der Abend nun: Theater, Live-Konzert, Installation? Alles. Ein gelungener Mix, der einen psychedelischen und genreübergreifenden Blick auf Carrolls Klassiker ermöglicht. Es ist ein sperriger und doch kurzweiliger Abend, der schauspielerisch überzeugt und musikalisch begeistert.