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Schwarze Stürme, dunkle Wolken

Die Medienlandschaft ist im Umbruch. Kein Verlag weltweit hat ein

tragfähiges Geschäftsmodell für die Zukunft. Staat und Werber stehen längst bereit, die kommenden Lücken zu füllen

Die Stimmung unter Journalisten ist schlecht. Zugegeben, das ist sie meistens. Eine Berufsgruppe, die traditionell eher mit Krisen und Problemen beschäftigt ist, neigt nicht dazu, der Zukunft mit Optimismus zu begegnen. Aber so, wie es jetzt ist, war es noch nie. Egal mit wem man spricht, egal bei welchem Medium die Kollegen arbeiten, die Ansicht ist weit verbreitet, dass in den kommenden zehn Jahren gut die Hälfte von uns ihren Job verlieren wird. Wirtschaftlich dramatisch ist das für die Gesellschaft nicht: Wir reden von knapp 100.000 festen und frei beschäftigten Journalisten. 50.000 weniger von uns, verteilt auf die kommenden Jahre — das ist nur wenig mehr als die 36.000 Jobs, die 2012 bei Schlecker verloren gingen.

 

Dabei ist es gar nicht so, dass unsere Arbeit nicht mehr wahrgenommen würde. Wenn es eines  nicht gibt, dann eine Krise des Journalismus. Zwar sind wir immer noch keine allzu beliebte Berufsgruppe und liegen in puncto gesellschaftlicher Anerkennung näher an Zuhältern und Politikern als an Ärzten und Pfarrern. Aber was wir machen, wird immerhin gelesen: Zählt man die Leser der gedruckten und online verbreiteten professionellen Medien zusammen, haben wir noch nie so viele Menschen erreicht wie heute. Und schaut man sich Twitter oder Facebook an, so sind die dort geteilten Inhalte häufig ebenfalls von Journalisten erstellt worden — wenn man mal von Katzenbildern absieht.

 

Das Problem ist, dass es kaum noch möglich ist, damit Geld zu verdienen: Stärker als die Auflagen sinken die Anzeigenerlöse der Magazine und Zeitungen, was kein Problem wäre, ließe sich das Geld nun im Internet verdienen. Aber dort ist nur ein Bruchteil von dem zu erwirtschaften, was früher die gedruckten Ausgaben hergaben.

 

Also müssen die Leser ran: Sie werden gebeten, für Online-Ausgaben zu zahlen, sich durch Crowdfunding an der Finanzierung von Recherchen zu beteiligen oder gleich Partner zu werden und zu spenden. Dabei wird Geld zusammen kommen, aber niemand sollte sich der Illusion hingeben, dass die gesamte Medienlandschaft damit finanziert werden kann. Sicher, die Verlage verdienen Geld im Internet. Allerdings nicht mit Journalismus, sondern mit Immobilien, Kleinanzeigen oder Online-Shops. Irgendwann werden sich die Verlagsmanager ­fragen, warum sie sich noch mit Journalismus beschäftigen sollen, wenn sich mit alten Ford Fiestas, Hundefutter oder Escort-Portalen mehr verdienen lässt.

 

Hinzu kommt, dass nach Fotografen, Setzern und Druckern die nächste Rationalisierungswelle die Journalisten treffen wird: Unternehmen wie »Narrative Science« bieten bereits Softwarelösungen für das Erstellen von Texten in Bereichen wie Sport oder Immobilien an — und wo diese Technik eingesetzt wurde, zum Beispiel bei kurzen, faktenorientierten Sporttexten, ist sie Lesern bislang nicht unangenehm aufgefallen.

 

Das Sinken von Auflagen und Werbeeinnahmen, die bevorstehende Rationalisierung und das irgendwann ­einsetzende Desinteresse der Verlage an journalistischen Produkten ergibt zusammen ziemlich genau das, was man im englischsprachigen Raum als einen »perfect storm« bezeichnet, als ein seltenes Zusammenspiel ­mehrerer Faktoren mit drastischen Konsequenzen.  

 

Natürlich werden nicht alle Zeitungen und Magazine untergehen. Aber viele. Im Ruhrgebiet schließt die Funke-Mediengruppe, der ehemalige WAZ-Konzern, Redaktionen nahezu im Akkord. Andere Verlage legen Redaktionen zusammen, schließen Auslandsbüros oder setzen bei der Produktion von Online-Inhalten auf Mediengestalter statt Journalisten.

 

Wird es in Zukunft weniger zu lesen geben? Auf keinen Fall. Viele sind bereit, die Lücke zu füllen, die Journalisten hinterlassen. Der Klebebrausehersteller Red Bull leistet sich längst nicht nur ein eigenes Magazin, sondern auch einen Fernsehsender. Bei Servus TV sind Unternehmens-PR und journalistische Inhalte nicht gerade muster­gültig getrennt, aber die Journalismus-Simulation ist erfolgreich. Ein anderes Beispiel ist die Seite koeln.de. Sie wird im Auftrag der Stadt von Netcologne betrieben, einem Tochterunternehmen der Stadtwerke GEW. Es gibt aktuelle Nachrichten, Freizeittipps und einen Shopping-Guide. Das Ganze sieht aus wie ein Online-Medium, ist aber nichts anderes als eine PR-Plattform der Stadt, die zudem privaten Anbietern wie der StadtRevue oder dem DuMont-Verlag mit öffentlichen Geldern im Rücken Konkurrenz macht.

 

Auch andere Städte, aber auch Energieversorger oder Verkehrsunternehmen haben solche Projekte schon umgesetzt oder geplant. Das dient nicht nur der Kundenbindung, sondern sorgt auch dafür, dass nichts allzu Kritisches über das eigene Unternehmen oder die Stadt erscheint.

 

Viele Leser werden den Unterschied zu klassischen Medien nicht bemerken. Auch eine Lokalzeitung oder ein Magazin wie die StadtRevue ist nicht nur mit kritischen Texten gefüllt. Die Leser sollen und wollen auch unterhalten werden, Tipps für den Abend bekommen oder erfahren, wo ein neuer Club oder ein neues Restaurant aufgemacht haben. Das alles findet man auch auf koeln.de und Co. — aber eben keine schlechten Nachrichten, hintergründige Recherchen oder provozierende Standpunkte.

 

Auch der Staat versucht in der Krise sein Glück: Die Europäische Kommission träumt von einer Presselizensierung, verbunden mit finanzieller Unterstützung solcher Medien, die sich bereit erklären, »guten« Journalismus zu machen, beziehungsweise das, was EU-Politiker dafür halten. In eine ähnliche Richtung gehen auch die Vorschläge des Dortmunder Journalistik-Professors Tobias Gostomzyk, der sogar das Recht auf Auskunft und Zeugnisverweigerung jenen Medien vorbehalten möchte, die er für journalistisch hält — wobei Gostomzyk als Jurist von gutem Journalismus so viel Ahnung hat wie ein Elefant vom Schlittschuhlaufen. Auch die Landesregierung hat ihre Chance erkannt und nutzt die Gebührengelder der Landesanstalt für Medien (LfM), um mit einer Journalismusstiftung einen Fuß in die Presse-Tür zu bekommen. Die dafür bereitgestellten 1,6 Millionen Euro im Jahr werden in NRW zwar nicht viel bewegen, aber sie sind ein Einstieg.

 

Was bislang fehlt, sind Modelle für eine realistische Finanzierung von Journalismus in der Breite. Die Spitze wird auch in Zukunft gute Chancen haben, ihre Arbeit zu machen — aber wer geht künftig in die Ratssitzung einer kleinen Eifelgemeinde oder die Sitzung der Bezirksvertretung von Köln-Kalk?

 

Es gibt Lösungsansätze: Wenn Journalismus künftig wie Sport oder Kultur als gemeinnützig angesehen würde, könnten Vereine Redaktionen gründen und Spenden entgegennehmen. Aufwändige Recherchen könnten wie in den USA von Stiftungen finanziert werden. Immerhin: Das Internet sorgt dafür, dass die Gründung eines Mediums nicht mehr teuer ist; sein Betrieb bleibt allerdings ein kostspieliges Unterfangen.

 

Die Leser haben zwei Möglichkeiten. Entweder sie beteiligen sich stärker als bislang an der Finanzierung von Journalismus, oder sie überlassen ihn den PR-Abteilungen von Unternehmen und Politik. Sollten sie sich für Letzteres entscheiden, bleiben zwar viele Stellen erhalten, denn auch diese Texte müssen ja geschrieben werden. Allein, mit Journalismus wird das nichts mehr zu tun haben.