Die große Werkschau: Jo Baer

Auf den ersten Blick scheint das Werk der Malerin Jo Baer in zwei Teile zu zerfallen. Der erste beginnt um 1960 mit Papierarbeiten, die im Zeichen der Abstraktion stehen — aber nicht nur das. Beharrlich untersuchte die 1929 geborene Amerikanerin Formationen, die an Säulen und architektonische Grundrisse denken lassen. Parallel zu den künstlerischen Recherchen der Minimal Art entwickelte Baer wenige Jahre später Bilder, die durch radikale Reduktion glänzen: monochrome helle Flächen, gerahmt von einem schwarzen und einem schmaleren farbigen Streifen, die zusammen eine optisch vibrierende Einfassung der leeren Mitte bilden.

 

Obwohl Baer schon früh international erfolgreich war — ungewöhnlich genug für eine Frau ihrer Generation —, zog sie sich 1975 aus der New Yorker Kunstwelt zurück, ließ sich erst in Irland und 1984 schließlich in Amsterdam nieder. In einem Filminterview, das im Rahmen ihrer aktuellen Schau im Museum Ludwig zu sehen ist, erklärt Baer, dass ihr die Abstraktion ab einem bestimmten Zeitpunkt chancenlos vorkam. Angesichts des Siegeszugs der Pop Art und der Übermacht des Kommerzes schienen die Voraussetzungen zu schwinden, sich über und durch abstrakte Kunst zu verständigen. Folglich widmet sich der zweite Teil ihres Schaffens gegenständlichen, oft wie collagiert wirkendenden Kompositionen. Dabei speist sich ihre Bildsprache aus der Frühgeschichte und Archäologie ebenso wie aus Naturdarstellungen oder den Werken von Künstlerkollegen. Sie kommuniziert mit dem Publikum auf erzählerische, intuitive Weise.

 

Es war eine gute Idee, bei der Hängung dieser bislang größten Ausstellung zu Baers Schaffen nicht dem üblichen chronologischen Schema zu folgen und damit die gewohnte Sichtweise des gespaltenen Werks zu zementieren. Stattdessen lässt sich dank der Gegenüberstellungen von Arbeiten verschiedener Werkphasen der innere Dialog zwischen ihnen verfolgen — etwa die Vorliebe für bestimmte Farbpaletten oder das feine Gespür für räumliche Ordnungen. So zeigt sich in Baers Malerei, neben allen offensichtlichen Differenzen, auch eine überraschende Einheit in der Vielheit.