»Wir machen die Ausstellungen schließlich nicht für uns«

Weißer Rauch über dem Kölnischen Kunstverein: Im Juli tritt Moritz Wesseler als neuer Direktor an

»Der Kölnische Kunstverein zeigt seit 1839 die jeweils neue Kunst seiner Zeit« – mit diesem schönen, schlichten Credo beginnt die Rubrik »Leitbild / Mission« auf der Homepage des »KKV«. Es gilt wohl auch kurz vor dem 175-jährigen Jubiläum der traditionsreichen Institution, komplexer sind indes die Umstände, unter denen aktuelle Kunst heute ausgestellt werden kann. Wie finanziert man eine Ausstellung, wenn die Ansprüche hoch, die Mittel knapp sind und die »neue Kunst« möglichen Sponsoren abstrus erscheint? Wer trägt einen Kunstverein, wenn das klassische Bildungsbürgertum als Basis schwindet? Was sind relevante Ausstellungen, wenn überall massenweise »neue Kunst« produziert und gezeigt wird?

 

Oder konkret gefragt: Wird es der neuen Führung des Kölnischen Kunstvereins gelingen, Antworten auf solche Fragen zu finden? So schlecht sieht es damit gar nicht aus. Nach der kurzen Amtszeit von Direktor Søren Grammel, die mit einigen respektablen Ausstellungen aufwartete, aber wohl nicht unter dem glücklichsten Stern stand, hat der Vorstand des Kölnischen Kunstvereins seine neue Leitung gewählt. Nachfolger des langjährigen Vorsitzenden ­Wolfgang Strobel (»Frischer Wind muss her«) ist der Ökonom, Sammler, Kunstagent und bisherige Schatzmeister des Vereins Thomas Waldschmidt. Die Situation für die Kultur sei nicht einfach in Köln, gerade deswegen, betont der 50-Jährige, müsse man sich in der Stadt persönlich engagieren. Ihm zur Seite wird als künstlerischer Leiter ab Juli der 1980 in Bremerhaven geborene Kunsthistoriker Moritz Wesseler die Geschicke des Vereins leiten.

 

Wesseler hat als Volontär an der Kunstsammlung NRW Ausstellungen von Michael Sailstorfer und Kris Martin kuratiert. Zuletzt hat er für die Privatstiftung »Fürstenberg Zeitgenössisch« in Donaueschingen gearbeitet, wo er die Sammlung, Ausstellungen und ein Stipendienprogramm betreute. Im Programm der letzten beiden Jahre findet man Künstlernamen wie Dirk Bell, Petrit Halilaj, Benjamin Saurer, Keren Cytter, Gareth Moore, Dorota Jurczak oder João Maria Gusmão. Ein Vorgeschmack?

 

Unsere In­terviewanfrage erreichte ihn auf der Art Basel — im Email-Interview stellt er sich selber vor:

 

Was kann Kunst und nur die Kunst? Gab es ein biografisches Schlüsselerlebnis? Kunst ist eine visuelle Sprache, die Dinge sichtbar machen kann, die man sonst nicht wahrnehmen würde. Wenn man sich auf sie einlässt, dann wirkt sie im besten Fall auf den Betrachter ein und verändert dessen Bewusstsein. Diese Art von Erfahrungen haben mich stark geprägt und darin bestärkt in der Kunstwelt tätig zu werden. Schon früh hatte ich durch meine Eltern, die einen kleinen, nicht-kommerziellen Ausstellungsraum in meiner Heimatstadt Bremerhaven betreiben, Kontakt zu eben dieser Welt.

 

Kunstvereine haben eine lange Tradition — welche Erfahrung bringen Sie mit, worin sehen Sie heute deren wichtigste Aufgabe? Seit meiner Jugend bin ich Mitglied im Kunstverein Bremerhaven. Dort kam ich mit Kunst und Künstlern in Berührung und sammelte wichtige Erfahrungen im Bereich der kuratorischen Praxis. Insofern ist die Arbeit in einem Kunstverein nicht gänzlich neu. Ich halte das Modell »Kunstverein« in keinster Weise für überholt: Kunstvereine sind ein wichtiger Bestandteil der Gesellschaft und haben eine zentrale Funktion im Kunst- und Kulturbetrieb. Sie bieten Künstlerinnen und Künstlern, die noch am Anfang ihrer Laufbahn stehen, eine institutionelle Plattform, um — in manchen Fällen sogar erstmals — Werke öffentlich zu präsentieren. Insofern sind die Kunstvereine unabdingbar und auch in Zukunft von großer Bedeutung.

 

Der Nachwuchs — muss man ihn werben? Kommt er durch gute Ausstellungen, durch gezielte »Vermittlung«? Aus meiner Perspektive ist es sehr wichtig, sich aktiv nicht nur um den »Nachwuchs« zu bemühen, sondern genauso um die sonstigen Besucher und Mitglieder eines Kunstvereins oder Ausstellungshauses. Es ist wichtig, dass gute Ausstellungen von vielversprechenden Künstlern von einer möglichst großen Zahl von Interessierten gesehen werden. Wir machen die Ausstellungen schließlich nicht nur für die Künstler oder Kuratoren. Die Vermittlung spielt insofern eine zentrale Rolle und es ist mir ein großes Anliegen, mich aktiv um diese zu bemühen.

 

Braucht es in diesen Zeiten (wieder) klare Ausstellungsstatements zu gesellschaftlichen und politischen Fragen? Für mich ist es zunächst einmal wichtig, dass eine künstlerische Geste funktioniert. Wenn sie dann um gesellschaftliche oder politische Fragen kreist, halte ich das für spannend und richtig. Gute Kunst reflektiert ohnehin immer auch die Zeit, in der sie entsteht. Natürlich kann man auch Ausstellungen zu wichtigen Fragen oder Problemen der Gegenwart ausrichten. Mir ist es dabei allerdings wichtig, dass die Kunst nicht nur bloße Illustration einer These oder einer politischen Haltung ist.

 

Haben Sie schon Ideen zum Programm? Eine lange Liste von spannenden Künstlern, die ich gerne in Köln zeigen möchte, existiert bereits. Etwas muss man sich allerdings noch bis zur Nennung der ersten Namen und Titel gedulden.