»Freiheit ist eine Herausforderung«

Florian Malzacher kuratiert zum ersten Mal die »Impulse Theater Biennale« und hat das »wichtigste Festival für die Freie Szene« neu konzipiert

Die »Impulse Theater Biennale« ist so etwas wie das Bestentreffen der Freien Szene. Viele herausragende Theatermacher an den großen Bühnen haben auf diesem Festival erstmals überregional für Aufmerksamkeit gesorgt. Ein zeitgenössisches Theater, das die Literatur hinter sich lässt, konnte man hier lange vor seiner Ankunft im Stadttheater beobachten. In diesem Jahr bekommen die »Impulse« einige Neuerungen verpasst, initiiert durch den neuen Leiter: Florian Malzacher. 14 Produktionen, darunter zwei Premieren und eine Auftragsarbeit, werden in Köln, Mülheim an der Ruhr, Bochum und Düsseldorf zeigen, was im Freien Theater »State of the Art« ist.

 

Herr Malzacher, an den Impulsen klebt das Etikett »wichtigstes Festival für die Freie Szene«. Es tauchen immer wieder alte Bekannte wie She She Pop oder Hofmann­&Lindholm auf, die sich längst etabliert haben — im Stadttheater. Wie definieren Sie Freies Theater als site specific? Für uns ist das eine eigene, eigenständige Sparte. Freiheit ist in diesem Zusammenhang eine Aufforderung und noch immer eine Art Kampfbegriff. Denn sie ist nicht nur ein Geschenk, sondern auch eine ziemliche Herausforderung. Es geht darum, immer wieder neu zu definieren, was die Möglichkeiten dieses Genres sind, wenn ich prinzipiell frei entscheiden kann: Wo fange ich an? Welche Form braucht meine Idee, welche Art von Darstellern, welche Art von Raum, Sprache? Das bedeutet nicht »anything goes« — der künstlerische Anspruch muss schon sehr genau definiert werden.

 

Unter Ihrer Leitung wird das Festival ein bisschen anders werden. Der Wettbewerb ist abgeschafft, Preise werden nicht mehr vergeben. Stattdessen haben Sie einen Open Call gestartet und mit Hilfe eines interdisziplinären Beirats aus etwa vierhundert Bewerbungen 14 Produktionen ausgewählt.  Gibt es keine Besten mehr?

 

Die Idee eines Wettbewerbs macht hier keinen Sinn. Die Arbeiten, die wir zeigen — von Gesine Dankwarts Kneipen-Installation »Chez Icke« über das »Disabled Theater« vom Schweizer Theater HORA zum Schattenrisstheater der Kölner Hofmann&Lindholm — haben so unterschiedliche künstlerische Ansätze, da wüsste ich beim besten Willen nicht, nach welchen Kriterien man sagen sollte: Diese oder jene ist die beste. Außerdem ist mir diese Herangehensweise an Kunst ehrlich gesagt etwas zu sportlich. Wir wollen die Künstler und die Kunst lieber thematisch ins Gespräch bringen. Und abgesehen davon: Natürlich haben wir nur die Besten eingeladen (lacht).

 

Eine weitere Neuerung ist, das Impulse ein Motto bekommt: »Under the Influence«. Mit welcher Absicht haben Sie den Titel gewählt? Uns ist aufgefallen, dass sich sehr viele Produktionen der Freien Szene derzeit mit Fragen nach kultureller Identität beschäftigen — wie auch die Gesellschaft insgesamt. Um diese Frage zu forcieren, haben wir unter dem Titel diesmal tatsächlich ausschließlich Künstler eingeladen, die ihren Lebensmittelpunkt im deutschsprachigen Raum haben — aber ganz unterschiedliche Pässe. Das ist doch interessant: Sehen solche künstlerische Arbeiten tatsächlich anders aus, wenn sie in Deutschland entstehen als beispielsweise in Polen oder Frankreich?

 

Das Festival zeigt jetzt auch Stücke, die es noch gar nicht gibt und ist Koproduzent. Wollen Sie etwa selbst Impulse geben? Das ist keine Idee, mit der wir uns profilieren wollen. Sondern es ist ein kultur­politisches Zeichen, nicht einfach »einkaufen« zu gehen, sondern dass wir uns finanziell und inhaltlich bei der Produktion ausgesuchter Arbeiten engagieren. Dabei war unser Kriterium die herausragende Qualität des Konzepts, auf dessen Grundlage wir gemeinsam entschieden haben. Natürlich sind auch wieder einige alte Bekannte dabei. »Impulse« gibt einen Überblick über die Szene.

 

In den vergangenen Jahren prägte die eingeladenen Arbeiten eine Poppostdramatik mit Trend zur Show. Mittlerweile scheint es ein Ästhetik-Mix aus Bildender Kunst, Performance und Musik zu sein. Ja, viele Produktionen bedienen sich verschiedenster Genres. Es gibt nicht den neuen, prägenden Stil, sondern viele sehr prägnante, unverwechselbare künstlerische Handschriften — was im Stadttheater übrigens in den letzten Jahren sehr viel weniger geworden ist. Es geht uns auch darum, eine große Bandbreite von Ästhetiken zu zeigen. Und diese stehen im Dialog mit allen anderen künstlerischen Gattungen.

 

Köln hat mit seinen rund sechzig freien Theatern eine der größten Szenen in Deutschland. Warum ist außer Hofmann&Lindholm niemand vertreten? Letztlich ziehen Künstler vor allem dahin, wo sie gute Arbeitsbedingungen finden. Es ist kein Geheimnis, dass sich die Szene in den letzten Jahren zentralisiert hat, dass viele Künstler nach Berlin gezogen sind. Ich finde es eher langweilig und schade, aber es ist eine Realität. In Köln gibt es neben der studiobühne viele kleine Orte für die Freie Szene, in Düsseldorf das FFT und in Mülheim den Ringlokschuppen — wenn beispielsweise diese Häuser besser ausgestattet wären, könnte das durchaus einen Unterschied machen.