Foto: Manfred Wegener

Heinsbergstraße: Literat und Boxer

Der Mülleimer der Kyffhäuser Straße hört auf den Namen Heinsbergstraße

Über die Heinsbergstraße zu schreiben heißt, über zwei Straßen zu schreiben. Die eine liegt zwischen Kyffhäuser und Zülpicher Straße, die andere zwischen Zülpicher Straße und Rathenauplatz. Mich hat es natürlich in die erste verschlagen, die mit Kopfsteinpflaster und ohne Gastronomie – sieht man einmal vom »Schwitzbad 18« mit seiner legendären Neonreklame ab. Es war Ende Januar, kurz darauf war Karneval, und ich sollte lernen was es heißt, wenn Leute deine Haustür als Pissoir benutzen. Die weiß gekachelten Fassaden am Anfang der Straße hätten mir eine Warnung sein sollen.

Heinsbergstraße A

Auch an normalen Wochenenden offenbart sich Heinsbergstraße A als das, was sie vornehmlich ist: der Mülleimer der Kyffhäuser Straße. Die Zusammensetzung ist konstant und findet sich auf dem Bordstein (Krautsalat, Fleischstücke), auf den Fenstersimsen (Frittenschalen, Bierflaschen) und an den Fassaden (Mageninhalt). Überflüssig zu erwähnen, dass hier nachts viele singfreudige Menschen unterwegs sind. Dass das nicht immer so war, erfährt man, wenn man sich mit Frau Welter aus dem Parterre unterhält. Sie ist 94 und wohnt seit 83 Jahren in der Heinsbergstraße – als Teenager in den Zwanzigern noch in Nr. 6. In Nr. 4 wohnte damals der nur anderthalb Jahre ältere Max, ein junger Speiseeishändler, der später unter dem Namen Max Schmeling berühmt werden sollte.

Heinsbergstraße B

Wer nun die Zülpicher Straße überquert, um Heinsbergstraße B zu betreten, hat seinen Döner gerade aufgegessen. Ganz schön saubere Gegend also. Ein fürstlicher, nagelneuer Asphalt bedeckt das ehemals total verschlissene Kopfsteinpflaster. Die Zahl hübsch restaurierter Altbauten nimmt zu, wenngleich es auch hier noch die ein oder andere gewagte Kombination aus Schnörkelputz oben und Kacheln unten gibt. Wer es weiß, spürt einen Hauch von Cologne’s Swinging Sixties: Früher war hier einmal das Beatlesmuseum, und irgendwo zwischen Nr. 17 und Nr. 21 wohnte Deutschlands erster Popliterat Rolf-Dieter Brinkmann. Leider ein paar Jahrzehnte zu spät, um Schmeling kennenzulernen. Aber das ist der Schnee vergangener Tage. Den großen Unterschied zu Heinsbergstraße A markieren drei gastronomische Namen: Bagutta, Rosebud, Feynsinn [sic?]. Wer da hingeht, sieht nicht so aus, als hätte er/sie das Kleinmann oder den Stiefel auf der Zülpicher Straße schon mal von innen gesehen.

Schnittmenge Rathenauplatz

Doch die sozialen Unterschiede werden nichtig am Ende der Heinsbergstraße. Jo verkauft in seinem Kiosk die Grundlage für die egalitäre Faszination des Rathenauplatzes: Flaschenkölsch. Trinkend vereint sitzen sie da auf Rasen, Mäuerchen und Bänken. Und niemand ahnt etwas von dem Boxer und dem Literaten, die sich auf historische Weise in den zwei Heinsbergstraßen verpasst haben.