Akustisch Äpfel verdauen

Versuch in Subversion: Der Verein »April« tritt ein Mail-Art-CD-Projekt los

Mörder, Mörder, Mörder!« hallt der rauhe O-Ton von der selbstgebrannten CD, aufgenommen bei einer Demonstration. Der vierminütige Beitrag ist copyfree – wie alle 19 weiteren auf der CD, Künstler und Produzenten verlangen bei Vervielfältigung keine Tantiemen. Im Gegen-teil, die unautorisierte Verbreitung ist autorisiert, »absolut erwünscht«.

Sagt Olaf Karnik von »April«, Autor, DJ und Mitinitiator des Kunstprojekts »Versöhnen/ Spalten«. Das Sechser-Team arbeitet bewusst nomadisch und in verschiedenen Sparten. »Versöhnen/ Spalten« ist ein Mail-Art-Projekt, gefördert von der Stadtsparkasse Düsseldorf und Köln. April hat eine CD mit 20 kurzen collageartigen Geräusch-, Musik- und/oder Wortbeiträgen zusammen gestellt. Produziert wurden die einzelnen Beiträge von KünstlerInnen aus dem Großraum Köln/Düsseldorf. Das Medium
wird unverlangt an 250 Adressaten verschickt: Multiplikatoren, Promis, bekannte und unbekanntere Personen aus Politik, Medien, allen Kultursparten, Werbung, Wirtschaft und Wissenschaft. Die Adressaten wissen auch nicht, dass ihre Adressen auf der April-Homepage veröffentlicht werden. Eine Kooperation mit der Rheinischen Post und StadtRevue ist ebenfalls Teil des »Versöhnen/ Spalten«-Projekts.

Während des Entstehungsprozesses geisterte bei April ein alter Spruch Johannes Raus herum: »Versöhnen statt spalten«. So einfach ist es eben nicht, dachte man sich: Die 20 Aufnahmen loten gerade die Ambivalenz des Verhältnisses dieser beiden Begriffe aus. April sieht in dem Thema eine deutlich »politische Referenz«. So explizit politisch wie Karniks Montagestück sind nicht alle Beiträge. Der Autor bildet unterschiedliche Haltungen zum Kölner Polizeiskandal vom Mai ab. In kurzen O-Ton-Snapshots beziehen Polizeisprecher und Demonstranten Stellung zum nach wie vor unaufgeklärten Tod von Stefan Neisius.
Andere Stücke arbeiten sich am Generalthema stärker metaphorisch ab. Unter den soundlastigen hinterlassen die Klangexperimente Frank Dommerts (Sonig), Niobes alias Yvonnne Cornelius und Harald »Sack« Zieglers die stärksten Eindrücke. »Frierton« von Susann Hempel und Olaf Helbing ist ein leises Stück über das Einfrieren eines Schmetterlings und das seltsame Reden darüber. Lizifon (mit Jan Werner von »Mouse on Mars«) brachten ein thematisch etwas bemühtes, lustiges Kinder-Sound-Hörspiel ein. April-Mitglied Angela Melitopoulos hat mit Stefan Schmid einen Apfelverdauprozess akustisch abgebildet, im Stile des großen Experimentators Henri Chopin.

Bleibt die Frage, wie stark sich die kurzen, weitgehend professionell produzierten Tracks bei den Adressaten ins (politische) Bewusstsein graben. Wo es gelingt, wäre es sicher spannend zu verfolgen, wie die Aktion ihre Soundschleifen verbreiten und vervielfältigen kann. Die unerlaubte Subversion der öffentlich-rechtlichen Spielregeln ist doch das Schönste!

Die CD ist auf Nachfrage gratis in den Kölner Plattenläden Kompakt, Parallel und a-Musik erhältlich.
Brennparty: 7.12., »escale«, Zimmerstr. 8a, Düsseldorf, 20 Uhr. Infos: www.april-projekte.de