Foto: Dörthe Boxberg

Gran Turismo: Betreutes Ausgehen

Knapp drei Millionen Touristen übernachteten im ­vergangenen Jahr in den Hotels der Stadt. Die meisten kamen aus ­Deutschland, gefolgt von Briten, Nieder­ländern und US-Ameri­ka­nern. Doch was tun diese Menschen eigentlich in Köln? Christian Steigels hat nach­geschaut, wo Touristen feiern gehen.

»Prost!« — »Cheers!« — »Santé!«, ruft es quer über die Großbaustelle der Archäologischen Zone. Gut 30 junge Menschen stehen in der Abendsonne vor dem Fastnachtsbrunnen am Gülichplatz und prosten sich mit kleinen Plastikschnapsgläsern zu. »Zweite Runde«, ruft Florent aus Lille. Brian aus London bietet an, ab sofort den Rucksack zu tragen, aus dem Robert eben den Erdbeer­limes hervorgeholt hat. Die Franzosen stimmen ein Trinklied an, die Engländer versuchen, mitzusingen.

 

Kennen gelernt haben sich die meisten gut eine Stunde zuvor in einer Bar am Alter Markt beim ersten Stopp des Pub Crawl Cologne. Für 17 Euro ziehen die Touristen mit zwei Party-Guides durch eine Handvoll Bars und Clubs, zwischendurch werden kleine Shots gereicht. »You‘ll never drink alone«, so das Motto. »Wir wollen das Kölner Nachtleben zeigen, wie es wirklich ist. Nicht, wie es im Touristen-Führer steht, sondern wie es die Locals kennen«, sagt Robert, der heute gemeinsam mit Nicole und Inan die Führung macht.

 

22.15 Uhr. Im Irish Pub an der Friesenstraße ist ­Karaoke-Party. Die Pub Crawler sind sofort mittendrin. PJ, ein werdender Ehemann aus London, der mit seinen Kumpels seinen Junggesellenabschied in Köln feiert und den gestrigen Abend bis sechs Uhr morgens im Pascha verbrachte, singt gemeinsam mit einer jungen Frau den Euro-Dance-Hit »Barbie Girl«. Seine Gesangsdarbietung ist durchschnittlich, die Begeisterung bei seinen Freunden groß. Auch die Junggesellen aus dem französischen Lille jubeln.

 

»Good Party«, ruft Brian. Keine Frage, die Karaoke-Show ist ein Eisbrecher. Auch Vijesh aus Indien gibt seine brüchige Interpretation eines Beatles-Stücks zum Besten. Die Londoner feuern ihn an. Weil er sie an einen Kumpel aus der Heimat erinnert, haben sie ihn kurzfristig in »Freddy« umgetauft. Er freut sich und nimmt noch einen Schluck Bier. What did you do in Cologne? — We went to a karaoke bar where everyone spoke English and we drank Guiness and Kilkenny.

 

Einziger Nachteil bislang: Es sind zu wenig Frauen dabei. »It‘s a bit of a sausage fest«, sagt Oleg aus Russland. Die einzigen drei Frauen sind keine Touristinnen und kommen aus Köln. »Normalerweise ist das gemischter«, sagt Robert. Sieben weitere Frauen hatten sich angesagt und sogar auch bezahlt, sind aber nicht aufgetaucht. Kommt selten vor, sagt Robert. Aber gleich hat sich noch Verstärkung angekündigt, eine Gruppe Frauen, die schon mal mit dabei waren.

 

Eine französische Version des Scorpions-Songs »Rock You Like A Hurricane« später geht es weiter. Nächster Halt: eine Rumba-Kneipe um die Ecke. Die weibliche Verstärkung ist aufgetaucht, eine Gruppe deutscher Mädels und ein paar skandinavische Au-Pairs. Sie sind zum dritten Mal beim Pub Crawl dabei. Aus Überzeugung. »Bei anderen Crawls kriegt man ein paar Schnäpse und wird dann in der Großraumdisco abgeliefert. Hier kümmern die sich viel mehr um dich,« sagt Christina aus Dänemark. Oleg aus Russland geht gleich auf Tuchfühlung, lässt sich schwedische Schimpfwörter in sein iPhone schreiben. PJ tanzt Salsa mit einer der Deutschen. Die Franzosen singen lauthals ein französisches Trinklied.

 

Nicole ist erst seit rund einem Monat Teil des Teams. Wenn sie nicht mit dem Pub Crawl unterwegs ist, studiert sie Geschichte und Germanistik. Zwischendrin könnte sie ein wenig zur Stadtgeschichte erzählen, sie kennt sich aus. »Um ehrlich zu sein, wollen die Leute das aber nicht hören«, sagt Robert. Er ist einer der beiden Gründer des Kölner Pub Crawls. Seit zwei Jahren bieten sie das betreute Aus­gehen an. Für ihn und seine Mitstreiter ein Traum­job, erzählt er. »Wenn wir nicht den Pub Crawl machen würden, würden wir in die gleichen Locations gehen. Das sind die Läden, die wir für die besten Kölns halten. Wir haben selber Spaß dabei«, sagt er.

 

Der nächste Stopp ist eine Bar im Belgischen Viertel. »Dort bitte nicht so viel singen, das haben die nicht so gerne«, ermahnen die Guides die Gruppe auf dem Weg dorthin. »Wir gehen in gute, angesagte Läden. Dement­sprechend muss man sich auch ein bisschen verhalten«, erklärt er. Ein paar Bars gebe es, die beim Pub Crawl nicht mitmachen wollen. Das Six Pack an der Aachener zum Beispiel, das Stecken an der Maastrichter. Sonst fänden das alle gut, sagt Robert.

 

Es ist kurz nach Mitternacht. In der Kellerbar läuft Electro. Die Franzosen haben nach anfänglicher Zurückhaltung zu alter Form gefunden und den Limbo eröffnet. Fast alle Pub Crawler machen mit. Auch Robert biegt den Rücken nach hinten und schiebt sich unter lautem Gejohle unter den Armen zweier Jungs hindurch. Die beiden identisch gescheitelten DJs, die an diesem Abend in der Keller­bar auflegen, blicken ein wenig irritiert durch ihre Hornbrillen.

 

Robert ist zufrieden mit dem Verlauf des Abends. »Nette Truppe«, sagt er. Einzig die Sache mit der Anlage ist ein wenig ärgerlich. Eine der Skandinavierinnen hat in der Bar zuvor einen Drink übers DJ-Pult geschüttet. Ist aber auch nicht so schlimm, sagt Robert. Dafür hat man ja eine Haftpflichtversicherung. Wirkliche Eklats gebe es ganz selten. Vor ein paar Monaten mussten sie ein paar Engländer nach Hause schicken. Das sei aber die absolute Ausnahme, sagt Robert.

 

Kurz nach eins. Letztmals sammeln Nicole und Robert alle zum Aufbruch. Es geht noch in einen Club an der ­Brabanter Straße. »Wird‘s heute wieder sechs Uhr, PJ?« Ein knappes Ja und ein Grinsen. Auch sonst sind alle noch mit dabei. »Ich bin sehr überrascht von Köln«, sagt Guy aus Lille. Eigentlich wollten sie nach Brüssel, oder nach Amsterdam. Am Ende landeten sie in Köln. »Riesenparty hier«, so sein Fazit. Auch Eugene aus Los Angeles ist begeistert. Er ist auf Europa-Trip, war schon in Italien, Frankreich, Österreich, Berlin, Hamburg. »Köln ist bislang meine Lieblingsstadt in Europa. Genau die richtige Größe, nette Leute. I would like to live here«, sagt Eugene.

 

Im Club läuft Disco-Stampf, die Flasche Bier kostet drei Euro. Die Guides verabschieden sich langsam. PJ und Brian haben sich längst wieder unter die Party People gemischt. In rund zwölf Stunden geht immerhin schon der Flieger, da will man vorher noch was mitnehmen. Über den Dancefloor schallt David Guetta: »All the crazy shit I did tonight. Those would be the best memories.«

 

Exklusiv auf stadtrevue.de:
»Auf den Christopher Street Day sind die Chinesen sehr neugierig«. Der Kölner Touristen-Guide Andreas Wilhelm im Interview.