Volksmusik der Habenichtse

HipHop-Drama: »8 Mile« von Curtis Hanson

Vor einem Kampf bemühen sich Boxer in der Regel um eine Miene, die ebenso undurchdringlich wie entschlossen wirken soll. Genau diesen grimmigen Gesichtsausdruck scheint Eminem in seiner allerersten Filmszene vor dem Spiegel zu proben, doch dann steigt er statt in den Boxring auf die Bühne eines MC Battles. Obwohl Curtis Hansons Film eine um Reizthemen bereinigte Fiktionalisierung der Biografie seines Stars ist, erinnert »8 Mile« auch in der Folge weniger an »Jailhouse Rock« als an »Rocky«.
Der von Eminem dargestellte Rabbit ist ein weißer Underdog, der sich in einem afroamerikanisch dominierten Metier behaupten muss und dabei wie ein prototypischer Vertreter des »white trailerpark trash« erscheint, also jener weißen Unterschicht, die in ärmlichen Wohnwagen-Siedlungen haust. In solch einem Trailerpark leben der passionierte Rapper und seine (alle Unschuld dieser Welt symbolisierende) kleine Schwester mit ihrer Mutter (Kim Basinger!) und deren nichtsnutzigem Geliebten, den Rabbit noch aus gemeinsamer Schulzeit kennt.
Während diese Lebensverhältnisse beiläufig ironisiert werden, rückt eine agile Kamera immer wieder die Zeichen des Verfalls im innerstädtischen Detroit ins Bild. Zugleich betont die einfache Inszenierung die Anfeindungen, die Rabbit als einem Weißen von der fast ausschließlich schwarzen HipHop-Community entgegen schlagen.
Dabei geht Hanson so weit, Rabbits/Eminems Stellung im HipHop nicht nur mit den unvermeidlichen Elvis-Analogien, sondern noch dazu mit einem Verweis auf jene Mädchenfigur zu kommentieren, die in Douglas Sirks »Solange es Menschen gibt« die Rassenschranken zu unterlaufen versuchte.
Zuletzt läuft indes alles darauf hinaus, dass die Hautfarbe gar nicht so wichtig ist. HipHop ist in »8 Mile« weniger eine genuin schwarze Musik als vielmehr eine Musik aller Habenichtse, ob schwarz oder weiß – eine Volksmusik im eigentlichen Sinne, wie es Blues und Country in der Prä-Rock’n’Roll-Ära waren. Zwar winkt am Horizont ein Plattenvertrag als Ausweg, doch vom Glamour der Popwelt ist nichts zu sehen. Musik ist schlicht ein Ausdrucksmittel des Alltags, sodass während der Bastelei am schrottreifen Auto oder in der Mittagspause auf dem Fabrikhof mit wunderbarer Selbstverständlichkeit freestyle gerappt wird.

8 Mile (dto) USA 02, R: Curtis Hanson, D: Eminem, Mekhi Phifer, Brittany Murphy, 110 Min. Start: 2.1.