Et macht ja sonz keener

Der Hausmeister schimpft über Mieter, die ihre Weghör-Musik im Hof herumliegen lassen. An seinem Schlüsselbund: eine Improv-Vergangenheit, die besten Argumente derer, die Kulturoptimismus genauso falsch finden wie Kulturpessimismus, und die schönste Platte dieses Winters

Wir erinnern uns: The Sound of Cologne. Coole, avantgardistische elektronische Musik, teils tanzbar. Verschiedene Traditionsstränge, die zusammenkamen, um sich gegenseitig zu bereichern. Das ist einige Jahre her, und seitdem ist passiert, was immer passiert, wenn eine gute Idee away fadet: Es ging erstmal irgendwie weiter. Anstatt abstrakter Musik gab es nun solche, die gleichzeitig soulful sein wollte, aber schwammig in der Mitte hängen blieb und deshalb keines von beidem war. Rezession, Baby, und alle sind betroffen. Abweichung kann den Marktanteil kosten. Im Dorf selbst tanzt man weiter wie immer, Euphorie wird im Zweifelsfalle herbeigeredet, was soll man auch sonst tun. Aber wo alte Hipness- und Trend-Überaffirmations-Ideen durch ein immer flexibleres Dumpfbacken-Mitläufertum zurück-unterwandert und damit entwertet sind, fallen Musiker umso positiver auf, die unbeeindruckt an ihren Lebensthemen arbeiten und diesen neue Aspekte abgewinnen. Hausmeister ist Christian Przygodda aus Bremen, 36 Jahre alt, und er hat gerade sein drittes Album auf dem hiesigen Label Karaoke Kalk veröffentlicht. Anstatt den Krach oder den Funk wiedereinzuführen, geht er den anderen richtigen Weg: gutes Songwriting, gute Stimmungsvollizität. Unverklemmte, barocke, narrative Kammermusik voller Waldhörner und Weihnachtsassoziationen. Was »Weiter« besser macht als viele andere »Listening«-Elektronik-Platten: Sie will wahrgenommen werden. Es folgen Auszüge aus einem zweistündigen Telefonat (danach musste der Hausmeister seinen Sohn von der Schule abholen), in dem der Künstler das sagte, was der Autor ohnehin schreiben zu können gehofft hatte.

SR: Hast Du ein Verhältnis zur derzeitigen Kölner Elektronik, in deren Kontext Du Dich ja veröffentlichungstechnisch bewegst?

Hausmeister: »Ich beschäftige mich wenig mit aktueller Musik; dass ich auf Karaoke Kalk veröffentliche, ist eher ein Zufall. Die Impulse, die für mich inspirativ sind, haben mehr mit Musik zu tun, die in der Vergangenheit liegt. Mir fällt es leichter, mich von Sachen, die ich immer schon gut fand, inspirieren zu lassen. Ich kaufe zur Zeit viele Sachen nach, die ich früher gut fand, denn ich hatte damals keinen Plattenspieler und habe deshalb nur bei anderen Musik gehört. Früher konnte ich oft Sachen, die die falschen Leute gut fanden, nicht gut finden. Später habe ich gemerkt, dass ich mir da oft im Weg gestanden habe. Ich habe seit jeher ein Problem mit dieser Flut von Sachen, mit denen man konfrontiert wird, wenn man sich mit Neuem beschäftigt und glaubt, man müsse immer neugierig auf darauf sein. Musikzeitschriften nerven mich total, das Musikbiz lebt sowieso schon immer von heißer Luft. Wenn ich gefragt werde, verorte ich mich der Einfachheit halber schon in der elektronischen Musik, das gibt so einen gewissen Bonus. Köln ist immer noch die Elektronik-Hauptstadt weltweit, und die Sachen von da werden bis Japan gehört. Ansonsten hat meine Musik wenig mit der Geschichte elektronischer Musik zu tun. House, Dancefloor, Ambient, da komme ich überhaupt nicht her.«

Woher kommst Du denn?

»Vom Songwriting. Ich habe immer gesungen, und auf der neuen Platte tue ich das ja auch wieder. Und aus dem Jazz-Bereich: Ich habe mal Jazzrock gemacht, instrumental, und später Freie Improvisation. Davon hört man natürlich bei Hausmeister nicht so sehr, die Sachen sind schon durchkomponiert und -arrangiert, basieren immer auf Songstrukturen, klaren Abläufen und Harmoniebezügen.«

Zumindest Dein erstes Album (vor zwei Jahren) schien mir noch einer post-kölschen, post-abstrakten Mellow-Ästhetik verpflichtet.

»Vieles hatte auch mit der Produktion zu tun. Ich habe die komplette erste Platte auf einem Atari und einem Vierspurgerät produziert. Vieles von dem, was man da hört, ist keine Absicht, auch das ganze ‚Kinderzimmermäßige’. Ich hatte eher Schwierigkeiten damit, dass ich in so eine Ecke geschoben wurde; ich wollte nicht dahin, das war eine Durchgangsstation für mich. Trotzdem halte ich sehr viel davon, aus der Not eine Tugend zu machen. Ich finde, dass Versagen im Zusammenhang mit künstlerischer Arbeit eine ganz wichtige Rolle spielt. Aus dieser Mischung entstehen manchmal Versionen oder Fassungen einer Vision, die durch ihre Widrigkeiten auf eine bestimmte Art umgesetzt werden und interessant sind. Wenn das dann ausformulierter und virtuoser wird, wird es oft auch belangloser und uninteressanter, ist nur noch Tapete. Ich setze mich mit diesem Unvermögen immer wieder an den Tisch und versuche nicht mehr, das zu umgehen, sondern damit zu haushalten und die Sachen trotzdem zu machen. Ich versuche z.B. immer noch, tanzbare Stücke zu machen. Das Scheitern ist mir sehr bewusst.«

Wie arbeitest Du jetzt, technisch gesehen?

»Jetzt habe ich einen Sampler und einen Rechner, auf dem ich mit Cubase arbeite. Im Moment komme ich allerdings wieder an einen Punkt, wo ich an die Grenzen meines Rechners stoße. Ich überlege gerade, ob ich mir ein Laptop kaufe. Ich spiele vieles live ein und arbeite gar nicht mit Samplesequenzen, das grenzt mich von vielen anderen Musikern ab. Ich benutze auch keine Loops und nehme nichts von anderen. Wenn ich Samples benutze, dann nur kleinste Teilchen, aus denen ich dann die Sounds bastle. Die lege ich auf die Tastatur, und damit kann ich Melodien live einspielen.«

Bei Deinem neuen Album musste ich an Van Dyke Parks, Brian Wilson und Robert Wyatt denken.

»Die Percussion-Auffassungen von Brian Wilson sind für mich wichtig gewesen. Ich habe gehört, wie er manchmal das Schlagzeug auseinandergenommen und nur einen Snare-Wirbel benutzt hat, wie in der klassischen Musik. Wo das Schlagzeug schon die Funktion von Perkussion hat, aber es ist ganz klar nicht die Auffassung von Rock: Das Schlagzeug geht durch, und alles andere ordnet sich unter.«

Neben Deinem Hausmeister-Job arbeitest Du jetzt auch wieder bei (der Hamburger Kitty-Yo-Band) Go Plus mit.

»Ja, das sind mein Bruder und ein Kollege aus der Heimatstadt, und mit genau den Leuten habe ich vor 15 Jahren schon Musik gemacht. Am Anfang noch komponierten Jazzrock. Als wir dann auseinandergezogen sind, konnten wir keine Stücke mehr ausarbeiten und haben angefangen, ausschließlich frei zu improvisieren, das hat sich aufgedrängt. Wir haben angefangen, uns mit Free-Improv und Neuer Musik zu beschäftigen: Stockhausen, aber auch New Yorker wie John Zorn und Elliott Sharp. Günter Christmann hat auch mal mit uns gespielt. Ich habe Konzerte organisiert, aber das war sehr frustrierend, weil das keine Sau interessiert hat. Das kann ich auch nachvollziehen: Wir fanden es gut, weil wir es gemacht haben, weil wir da drinsteckten. Im Moment z.B. stecke ich da nicht besonders drin.«

Aber Menschen, die mal was mit Free-Improv zu tun hatten, haben ein oft anderes, genaueres Verhältnis zur Soundästhetik, zum Geräuschfaktor auch in anderer Musik. Aufgrund der romantischen Idee, dass Musik in ihrer Essenz einfach eine wie auch immer geartete Häufung von Klängen ist, und dass diese Klänge ihre eigenen Natürlichkeiten haben, anders als weghör-funktional zurechteditierte ‚Wohlfühl’-Sounds. Eben loud like nature.

»Ja, wenn ich heute meine Sachen mache, dann geht es viel um Klänge und darum, wie ich sie organisiere, um das herzustellen, was ich will. Auf den Klang zu hören und da so eine traumwandlerische Sicherheit zu entwickeln, das habe ich sicher in der Freien Improvisation gelernt. Das ist auch heute noch ein ganz wesentlicher Bestandteil meiner Arbeit.«

Traumwandlerisch?

»Instinktiv nachspüren zu können, wie was klingt und was es will, dieser Zustand ist mir ist beim Arbeiten ganz wichtig. Im Traum ist es ja so, dass man sich mit allen möglichen Ungereimtheiten arrangiert, weil es so ein übergeordnetes Gesetz gibt, das sagt, dass es so sein muss. In diesem Zustand weiß ich oder irgendetwas genau, wo es langgeht. Dem versuche ich nachzuspüren. Ich habe auch schon von Leuten gesagt bekommen, dass meine Stücke sich so anhören, als müssten sie so sein und nicht anders. Es ging mir auch immer bei Musik z.B. von den Beatles so: Ich konnte da nie was hinzufügen, ein total in sich geschlossenes System, wo alles genau so sein musste. Deswegen kann ich das alles gar nicht analysieren, das ist so eine eigene, in sich abgeschlossene Welt, die hat ganz eigene Gesetze.«

Aber ist das nicht ein typischer Kinderglauben: ›Die Erwachsenen machen das eben so‹? Die Beatles waren ja auch nur Menschen und haben überlegt und diskutiert und Ideen verworfen.

»Ja, heute sehe ich das auch ein bisschen anders, trotzdem weiß ich inzwischen, dass es bei mir einen Zustand gibt, in dem ich nicht nachdenke, sondern höre, was passieren muss. Das meine ich mit dem Traumwandlerischen.«

Klingt wie die definitive Lösung für das Willkürproblem, mit dem sich viele Musiker quälen.

»Ja, das ist dann das genaue Gegenteil von Willkür. Das Problem kenne ich natürlich auch, aber ich lerne das. Als ich mit Go Plus im Studio war, also zusammen mit meinem Bruder, habe ich ziemlich stark gespürt, dass wir da sehr unterschiedlich sind. Dass ich auf eine intuitive Ebene vertraue, auf die ich mich auch verlassen kann. Während er ganz viele Ideen hin und her abwägt. Ich komm schnell zu dem Punkt, wo ich denke: so muss das jetzt sein, das ist auch das Beste, wass ich aus mir herausholen kann, und das ist dann auch das Richtige für den Moment.«

Wahrscheinlich hast Du schon genug Ideen verwirklicht, um nicht mehr alle in einem Stück unterbringen zu wollen.

»Genau. Wenn alles überall passieren soll, bringt einen das in Teufels Küche. Zu merken, was das Stück will, und früh genug aufzuhören, Ideen zu sammeln, das ist ganz wichtig. Sich klar zu machen, worum es eigentlich geht. Geht es darum, eine Oper zu schreiben, oder will man einen Popsong? Ich arbeite immer nur an einem Stück, auch um das zu unterstützen. Ich bin dann halt in DIESEM Stück drin. Neulich war ich an einem Stück vier Wochen gearbeitet, das war schon ein bisschen hart. Da leiden wir auch beide, das Stück und ich. Ich kann das aber nicht anders. Jörg Follert z.B. der arbeitet immer an seiner ganzen Platte gleichzeitig. Der leidet aber auch, und ich weiß nicht, was besser ist.«

Ist das nicht ein Luxusleiden, besonders, wenn man vom ‚Hobby’ Musikmachen leben kann?

»Aber ich MUSS auch davon leben können, was soll ich denn sonst machen. Manche Leute werden sogar krank daran, ihre Sachen nicht ´rauszukriegen, nicht umgesetzt zu kriegen im Leben. Künstlerische Arbeit ist ja sehr eng mit dem Leben verschmolzen. Und oft merkt man im Nachhinein, dass die künstlerische Arbeit eigentlich die Dokumentation dessen ist, was im Leben gerade passiert. Deshalb geht dieses Leiden schon ganz schön an die Substanz.«

Malst Du nicht auch noch Plakate?

»Ja, das ist ein Brotjob, dahin hat sich das Malen leider verlegt. Ich habe auch der Musik soviel Platz eingeräumt, dass ich zum Malen nicht mehr komme. Ich zeichne ab und zu, aber eher zur Entspannung.«

Was wäre gewesen, wenn Du das 4-Wochen-Stück nicht fertig gekriegt hättest? Hättest Du dann nie wieder was Neues anfangen können?

»Ich hätte es dann wegschmeißen müssen. Das war beim Malen auch immer so: Wenn ich mehrere Bilder zugleich gemalt hätte, dann wäre keines so richtig wichtig. Ich stelle mir schon so eine Aufgabe, und durch die Aufgabe muss ich dann durch. Musikmachen ist für mich kein Sich-locker-Machen, es ist das Zentrum, das Leben. Deshalb klingen die Resultate auch so innerlich, weil viel Auseinanderstzung dahintersteht.«

War das zu den Improv-Zeiten auch schon so?

»Nee, da hatte ich wesentlich mehr Distanz. Improv hat für mich viel mit Humor zu tun, auch wenn das leider von vielen Protagonisten nicht so gesehen wird. Das ist es, was ich an Fred Frith schätze, dass man bei ihm deutlich merkt, dass es auch um Humor geht. Die Freude darüber, was passiert, was Klänge alles sind, dieses Entdeckertum. Kunst hat sowieso viel mit Entdecken und Erfinden zu tun, und in der Freien Improvisation ganz besonders. Man steigt da in was hinunter, bewegt sich auf einem schmalen Grad. Wir haben uns über die Gitarren gebeugt und ´rumgekrispelnt mit allem Möglichen, und dann mussten wir plötzlich lachen. In dem Moment waren wir eigentlich ´runtergekippt: Wenn man außen steht und sieht, was man da macht, geht es eigentlich nicht weiter. So eine Abgeklärtheit lege ich ich im Hinblick auf die Sachen, die ich gerade mache, noch nicht an den Tag, ich bin da sehr angreifbar, jedesmal, wenn ich die Sachen rausgebe. Das war bei der aktuellen Platte nochmal härter, weil ich angefangen habe, wieder zu texten und zu singen, und dann auch noch auf Deutsch. Ich habe bewusst gesagt: verstecken will ich mich gar nicht mehr. Mit den bisherigen Reaktionen bin ich sehr zufrieden. V.a. auch damit, dass nicht ständig explizit auf die beiden Gesangsstücke abgehoben wird. Ich habe gehofft, dass die sich eingliedern. Vorher habe ich gedacht, ich könnte keine Gesangsstücke unterbringen bei Hausmeister, habe da eine Mauer gebaut. Aber jetzt scheint es aufgegangen zu sein.«

Ja, die Stücke fallen nicht so auf. Mir ging es so, wie man es als deutscher Hörer bei englischer Musik gewohnt ist: Ich habe gar nicht wirklich auf die Texte geachtet.

»Ich fände es sehr gut, das hinzukriegen, dass die abstrakte Qualität, das Instrumentale, was eine Stimme hat, sich nach vorne schiebt. Ich benutze in meinen Songs keine Worter oder Sätze nur wegen der Aussage, die müssen auch gut klingen. Ich würde allerdings auch keinen Text mehr singen wollen, der nur gut klingt. Wenn ich einen Text nehme, ist das ja eine bewusste Entscheidung, sonst kann ich ja auch weiter »nanana« singen. Ich will eben nicht Tapete.«

Allerdings wird auch Musik, die darüber hinaus gehende Qualitäten hat, oft als Tapete gehört, weil man im Alltag nur selten dazu kommt, Musik wirklich konzentriert zu hören. Free-Improv oder Hausmeister geben auch sehr schöne Tapeten ab.

»Ja, das stimmt. Ich sperre mich auch nicht dagegen, wenn ich z.B. in der Kneipe sitze, und da läuft ein Stück von mir. Dann habe ich nicht das Gefühl, sagen zu müssen: ,Ey, jetzt seid mal alle ruhig’. Überhaupt nicht. Es geht eher um Musik, die zum Nebenbei-Hören. Das ist ja eine Rolle, die der Gebrauchsgegenstand Musik inzwischen ganz stark erfüllt. Viele Musik wird heute auf dem Rechner beim Arbeiten gehört, und bei dieser Art von Musik-Konsum schüttelt es mich. Diese Funktion, die diese Musik dann tunlichst auch erfüllen sollte.«

Wofür steht »Weiter«? Heißt das: Angstloser?

»Angstloser auf jeden Fall, ja. Es geht um ein Weiterkommen, musikalisch und biographisch. ,Unser’ (das Vorgängeralbum) war das Zelebrieren einer Beziehung, und ,Weiter’ ist das Hinausgehen. Die Beziehung ist auseinandergegangen, und darum geht es auf Weiter. Wobei es – ähem – auch auf der nächsten Platte noch darum gehen wird. Das Material zu Weiter ist ja noch in der Beziehung entstanden, zu der Zeit, als die Schwierigkeiten deutlich wurden. ,Freitag’ ist ein reines Liebeslied, zugänglich, glatt und romantisch. ,Weiter’ ist schon eher problematisch, deshalb ist es das Titelstück und das letzte auf dem Album, weil es rausguckt in die Zukunft. Es ist auch ein Liebeslied, aber unter Schmerzen. Liebe ist ja nicht immer angenehm und kann auch scheitern, egal, ob man sich liebt oder nicht, wenn man einfach merkt, dass es nicht geht. Das Cover von ,Weiter’ ist übrigens noch von meiner Freundin gestaltet worden. Die Texte, die ich zur Zeit schreibe (für das nächste Album), beschäftigen sich ganz klar mit dem Ende der Beziehung und sind auch überhaupt nicht lustig. Aber die Musik ist schon weiter. Also ,Noch Weiter’ sozusagen.«

Stammt Dein Sohn aus der besagten Beziehung?

»Nein, der ist aus Beziehung davor hervorgegangen, die sieben Jahre gehalten hat. Meine erste Platte ist zu der Zeit entstanden, als die Beziehung mit der Mutter meines Sohnes zuende gegangen ist, aber das hört man überhaupt nicht.«

Wie hat man sich Deinen Arbeitsalltag vorzustellen? Du stehst morgens auf, machst Musik, kümmerst Dich später um Deinen Sohn und malst gelegentlich ein Plakat?

»Ja, genau so. Ansonsten treffe ich mich mit Leuten. Das ist jetzt seit ein paar Jahren so, und eigentlich bin ich darüber auch sehr froh. Aber es ist auf der anderen Seite auch schwierig, das auszuhalten: Es ist eine selbstgewählte Isolation und eben ein anderes Arbeitsverhältnis als andere Leute es als normal empfinden, die in irgendwelchen Büros sitzen.«

Kommt dann manchmal ein Bedürfnis nach mehr »Normalität« auf?

»Inzwischen bemühe ich mich eher, den Leuten klar zu machen, dass ich natürlich ganz normal BIN. Ich finde es auch immer selbstverständlicher und naheliegender, mich z.B. mit Nachbarn anzufreunden, die ganz anders leben. Was die Arbeit betrifft: Man muss eben jeweils angemessene Form wählen, und die ist dann logischerweise die normale, weil angemessene. Bei künstlerischer Arbeit muss man halt selbstbestimmt sein; man kann eben diese Arbeit nicht delegieren, deshalb muss ich alles selber organisieren. Und das ist etwas, was man aushalten muss. Was bei mir erschwerend hinzukommt, ist, dass ich dadurch, dass ich in Bremen wohne, keine Kollegen um mich herum habe. Es gibt keine Szene auf dem Level, und ich habe auch keine Bandkollegen mehr (abgesehen von Go Plus in Hamburg). Aber Bremen ist schön, und mein Sohn wohnt hier.«

Vermittelt einem eine eigene Familie nicht so ein Gefühl von Normalität und Alltäglichkeit?

»Es geht so. Ich habe manchmal schon die Vision von mir als komischem Vogel, der langsam älter wird. Und der einen Sohn hat. Und wenn der älter ist, besucht er seinen komischen Vater und bringt ihm das Essen, hähä. Ich bin allerdings auch gerade das erste Mal in meinem Leben ohne Freundin und wohne auch das erste Mal alleine, das verdichtet die Situation, die einen auf solche lustigen Filme bringen kann. Ich habe früher in WGs gewohnt, aber auch schon mal mit meiner Familie. Das erste Mal alleine zu wohnen, war von einer Krise begleitet, die aber auch notwendig und heilsam war. Aber ich will mich nicht dauerhaft daran gewöhnen, alleine zu wohnen, darauf habe ich gar keinen Bock. Einen Bezugspunkt zu einer Person als Zentrum finde ich schon sehr wichtig.«

Warum nennst Du Dich »Hausmeister«?

»Das kommt noch aus meiner Band-Zeit, damals habe ich zuhause für die anderen Skizzen von meinen Ideen auf Tape aufgenommen, aber die wurden oft nicht oder nicht gut umgesetzt. Freunde haben mir dann gesagt, dass die Sachen solo ohnehin besser klängen. Auf den Cassetten habe ich mich Hausmeister genannt, und irgendwann bin ich dazu übergegangen, die bei Konzerten zu verkaufen oder zu verschenken. Hausmeister heißt: Selber machen, sein eigener Meister sein, ohne Leute, die einem reinreden. Das ist eine Qualität des Zuhause-Arbeitens, die ich sehr zu schätzen weiß. So kann ich mir leisten, weit in etwas hineinzutauchen, damit aufzustehen und ins Bett zu gehen. Das ist auch nach wie vor da, dieses Gefühl von Hier-kann-mir-keiner-reingucken. Ich bin auch froh, dass es sich trotz der Veröffentlichungen nicht in meinen Kopf festgesetzt hat, dass beim Produzieren sozusagen Leute zuhören. ,Das geht voll ab, wenn das rauskommt...’ – solche Gedanken habe ich überhaupt nicht. Hätte ich durchaus erwartet, weil ich eigentlich sehr auf Außenwirkung bedacht bin. Das hört man ja immer von Musikern, dass sie sich unter Druck fühlen, Dinge bedienen zu müssen oder der Held zu sein. ,Hausmeister’ steht übrigens auch an meiner Klingel. Das schellen natürlich auch manchmal Leute, die denken, ich bin der Hausmeister. Der Postbote weiß inzwischen Bescheid. Als ich eingezogen bin, was noch nicht so lang her ist, kam die echte Hausmeisterin, die älteste Mieterin im Haus, und hat gefragt: ,Wie soll ich denn das jetzt verstehen?’ Als ob ich ihr als neuer Mieter erstmal den Posten streitig machen wollte. Inzwischen ist das Verhältnis aber super.«