»Das Öl ist für die Iraker eine Katastrophe«

Weltweit verstärken sich die Proteste gegen einen Krieg im Irak. Während Prominente und AktivistInnen in Köln auf einem Friedensschiff gegen den Krieg demonstrierten, skandiert man unter irakischen Oppositionellen in der Stadt Antikriegsparolen nicht so selbstverständlich wie in der deutschen Protestbewegung. Conny Crumbach sprach mit den irakischen Schriftstellern Khalid Al-Maaly und Hussain Al-Mozany sowie mit Magid Al Khatib von der Irakischen Friedensinitiative.

 

Die wirtschaftlichen Interessen der US-Regierung an einem Krieg im Irak stehen zurzeit im Mittelpunkt der öffentlichen Kritik. Die Parolen der Antikriegsbewegung im Golfkrieg 1991 erobern die Schlagzeilen: »Blut für Öl – Worum es im Irak-Krieg wirklich geht« titelte selbst der Spiegel im Januar. Dass es ums Öl geht, bestreitet inzwischen fast niemand mehr. Für einige im Exil lebende Iraker fehlen in dieser Kritik jedoch wichtige Aspekte.
»Die irakische Bevölkerung ist in der Diskussion über den Krieg abwesend. Das ist nicht nur in Europa so«, kommentiert Khalid Al-Maaly die öffentliche Diskussion und Berichterstattung. Der 46-jährige Dichter, Verleger und Übersetzer lebt seit 1980 in Köln. In seinem Verlag publiziert er Literatur in arabischer Sprache. Er selbst übersetzte zahlreiche LyrikerInnen unter anderem Ingeborg Bachmann und Paul Celan. Durch seine Arbeit ist er häufig auf Buchmessen und Kongressen in arabischen Länder unterwegs. In Gesprächen mit AutorInnen und Kulturschaffenden über die Situation im Irak sieht er ähnliche Tendenzen wie in der öffentlichen Diskussion in Europa: »Auch der Großteil der arabischen Intellektuellen schweigt über das Leid der Iraker. Das wird nur schwarzweiß gesehen. Saddam Hussein spricht übrigens auch nie über die Situation, in der die Iraker leben. Der Feind sind die Amerikaner, dabei führt Saddam Hussein selbst seit 1968 einen Krieg gegen das eigene Volk. Das wird gerne vergessen.«

»Vom Öl hat die Bevölkerung nie etwas gehabt.«

Al-Maaly verließ den Irak 1978, nachdem er seinen ersten Gedichtband veröffentlichte. »Ich hatte nur die Möglichkeit in die Partei einzutreten und zu schreiben, was man von mir verlangt oder das Land zu verlassen. Politische oder schriftstellerische Freiheit gibt es im Irak nicht.« Sein Schriftstellerkollege Hussain Al-Mozany (48), der seit drei Jahren in Köln lebt und arbeitet, floh zur selben Zeit und aus den gleichen Motiven aus dem Irak. Beide Autoren beobachten, dass es den Verwandten im Irak zunehmend schlechter geht. Angehörige, von denen man seit Jahren nichts gehört hat, melden sich und bitten um finanzielle Hilfe. Es gibt kaum Arbeit. Die Versorgungsengpässe durch das UN-Embargo nutzt Saddam Hussein, um seine Macht auszuweiten. Selbst die Lebensmittelverteilung wird von Saddam Husseins Baath-Partei kontrolliert – und auch der Geldmarkt. Fast alle im Exil lebenden Iraker unterstützen ihre Familien im Irak, jedoch mit dem Bewusstsein, dass von diesem Geld auch das Regime profitiert. Sie sind Zuschauer, was sie leisten können ist maximal Schadensbegrenzung.
Das die Medien dominierende Thema »Energiekrieg« blendet auch für Hussain Al-Mozany die Situation der Iraker aus. Das Öl ist für die irakische Bevölkerung seiner Meinung nach eine Katastrophe: »Die Bevölkerung hat von dem Reichtum des Landes durch das Öl nie etwas gehabt. Saddam Hussein hat es benutzt, um Kriege zu führen: gegen den Iran, Kuweit und letztlich auch gegen die Iraker.«
Wenn Hussain Al-Mozany mit seiner Familie im Irak telefoniert, versucht er sie zu beruhigen und sagt Sätze wie: »Hoffentlich gibt es keinen Krieg.« Doch eigentlich hofft er, dass sich die Lage für die Menschen durch einen Krieg bessert und das Elend beendet wird. Er selbst empfindet diese Situation oft als absurd.
Für beide Autoren geht es in der aktuellen Situation nicht um die Frage, pro oder contra Krieg: »Wir haben bereits seit über zehn Jahren Krieg«, so Khalid Al-Maaly. Für sie geht es darum, wie man den laufenden Krieg möglichst schnell, zur Not auch mit militärischen Mitteln, beenden und Saddam Hussein stürzen kann. Es klingt aber auch nach Resignation, wenn etwa Khalid Al-Maaly sagt: »Vom Krieg erwarte ich das Allerschlimmste. Aber Politik ist ein schmutziges Geschäft. Wahrscheinlich das schmutzigste überhaupt. Vielleicht müssen wir alle realistischer werden.«

Die Irakische Friedensinitiative

Magid Al Khatib (46) hingegen spricht sich offiziell gegen den Krieg aus. Er verließ den Irak auf Grund seiner Arbeit in der Kommunistischen Partei, brach sein Medizinstudium ab und arbeitete, bevor er in den 80er Jahren nach Deutschland kam, zunächst als Journalist in Beirut. In Köln engagiert er sich in der Irakischen Friedensinitiative. Die Gruppe ist klein. Zehn Gleichgesinnte, unter ihnen Kurden, Turkmenen, Studenten, haben sich zusammengefunden und organisieren Informationsveranstaltungen, in denen sie zu Protesten gegen den Krieg aufrufen. Ihr »Nein« zum Krieg und die gleichzeitige Forderung nach dem Sturz des Diktators sind eine eher ungewöhnliche Kombination.
Ansonsten sind es häufig arabische Nationalisten oder Regierungsleute, die sich deutlich gegen den Krieg, aber nicht gegen das Regime aussprechen. Die Irakische Friedensinitiative informiert auch darüber, dass Proteste gegen den Krieg von der Baath-Partei für Propagandazwecke missbraucht werden. So auch 1991, als Bilder der Großdemonstration in Bonn gegen den Golfkrieg im irakischen Fernsehen als Demonstration für Saddam Hussein dargestellt wurden.

»Die Amerikaner haben Saddam Hussein jahrelang benutzt.«

Magid Al Khatib steht auch heute noch der Irakischen Kommunistischen Partei nahe. Auch wenn er den Sturz von Saddam Hussein will, hat er kein Vertrauen in die amerikanische Politik: »Die Amerikaner haben Saddam Hussein jahrelang dazu benutzt, ihre Interessen durchzusetzen. Sie haben ihn finanziell und mit Waffenlieferungen unterstützt. Warum sollten sie jetzt plötzlich ein Interesse daran haben das irakische Volk zu befreien?« Für ihn geht es in dem Krieg in der Hauptsache um die Kontrolle der Ölreserven in der Golfregion. Er nennt das »eine moderne Art von Kolonialismus«. »Warum«, so fragt er beispielsweise, »schickt man Waffeninspekteure in den Irak, versucht aber nicht die UNO-Resolution für Menschenrechte dort durchzusetzen?« Ein Sturz des Diktators kommt für ihn nur durch die Iraker selbst in Frage. Eine Exilregierung in den kurdisch dominierten Gebieten im Nordirak stellt er sich vor. Auf die Frage, ob ein Aufstand bewaffneter Kurden, schiitischer Freischärler und Untergrundkämpfer das Land nicht in einen endlosen Bürgerkrieg führen würde, reagiert er ausweichend. Der Schriftsteller Hussain Al-Mozany hält die Vorstellung eines innenpolitischen Sturzes dagegen für aussichtslos: »Ich glaube nicht, dass die Schiiten und Kurden etwas gegen die Armee von Saddam Hussein ausrichten können. Es würde ein Gemetzel geben. Die Opposition ist schwach. Jede oppositionelle Aktivität wird durch den Geheimdienst auf brutalste Art und Weise verfolgt und im Keim erstickt.«

Feindbild USA: das Dilemma der Friedensinitiativen

Neben der Kritik an der amerikanischen Politik stehen in Magid Al-Khatibs Vorträgen immer auch Informationen über das Ausmaß der Brutalität des Regimes von Saddam Hussein im Mittelpunkt. Bei einer Veranstaltung im Januar, die von linken deutschen Splittergruppen organisiert wurde, kam es deshalb zum Streit mit anwesenden Arabern. Sie verließen unter Protest und mit den Worten »Das ist Propaganda. Wir wollen über den Krieg sprechen!« den Raum. Die ideologische Sicht, die das Schicksal der Menschen im Land außen vor lässt, verhindert auch hier die Diskussion. Das Szenario, das die rund 20 deutschen ZuhörerInnen boten, ist vielleicht symptomatisch für das Dilemma, in dem die Friedensinitiativen im Land stecken. Die Wortmeldungen reichten von Selbstanklagen »Solange wir so viel Öl verbrauchen, tragen wir die Verantwortung« bis hin zu Zwischenrufen wie »Die USA ist der Hauptfeind der Menschheit.«
Hussain Al-Mozany hat wenig Verständnis für den latenten Antiamerikanismus in der öffentlichen Diskussion: »Für mich ist das mangelndes Geschichtsbewusstsein. Gerade hier müsste man wissen, dass nicht zuletzt die Amerikaner Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg Demokratie gebracht haben.« Er provoziert bewusst, weil ihm die Diskussion zu einseitig ist und die Kritik an Saddam Hussein zu kurz kommt. Für ihn scheint die US-Regierung das kleinere Übel zu sein: »Natürlich haben die Amerikaner wirtschaftliche Interessen. Sie haben gesehen, dass das Regime und die Opposition schwach sind, und jetzt wollen sie das Land besetzen. Trotzdem glaube ich, dass sie mehr Interesse daran haben, das Land wieder aufzubauen als Saddam Hussein, der es in den letzten 30 Jahren konsequent zerstört hat.«
Auch wenn ein Krieg der Bush-Regierung wenngleich aus falschen Intentionen vielleicht längerfristig auch »positive« Effekte für den Irak haben könnte, so lässt sich das Ausmaß der Zerstörung und die Anzahl der Opfer nur schätzen. In der Argumentation für einen Krieg bleiben die skrupellosen Militäraktionen der US-Regierung im Irak, wie etwa der Einsatz von uraniumverseuchter Munition, außen vor. Unklar ist auch, wie die Zukunft des Iraks, sollte Saddam Hussein tatsächlich gestürzt werden, aussehen wird. Konkrete Pläne gibt es seitens der US-Regierung nicht. Eine Lösung hat momentan niemand für die untragbare politische und menschenrechtliche Situation im Irak.

Termine
Tag X: Im Falle eines Kriegs sind am selben Tag europaweite Protestaktionen geplant. Aktionen in Köln: 12 Uhr, Albertus-Magnus-Platz/Uni-Hauptgebäude, Proteste und Streik der Studierenden, 18 Uhr, Demonstration auf der Domplatte. Weitere Infos: www.tag-x.de.
8.2. München: Demo gegen die NATO-Sicherheitskonferenz. Weitere Infos: www.sicherheitskonferenz.de
15.2. Berlin: Demo im Rahmen des Europaweiten Aktionstags, Weitere Infos: www.15februar.de
Busse nach München und Berlin werden von Attac und Kölner Friedensinitiativen organisiert. Abfahrt jeweils am Abend vorher. Kontakt: clkalk@imail.de
Die Kölner Initiative »Kein Krieg im Irak« organisiert regelmäßig Mahnmärsche, Protest- und Informationsveranstaltungen. Kontakt: friedensforum@web.de oder Hoeglevi@t-online.de