Unschädlichkeitsvermutung

Der neue UMTS-Mobilfunkstandard entfacht wieder

die Debatte um Elektrosmog

Im Sommer schon soll Köln als einer der ersten deutschen Standorte ans neue UMTS-Mobilfunknetz gehen. Universal Mobil Telecommunication System (UMTS) als neuer Mobilfunkstandard ist zwar leistungsfähiger als die alten GSM-Standards, braucht aber auch ein dichteres Sendeanlagennetz. Zwischen 500 und 1.000 neue Sendeanlagen kündigten die UMTS-Lizenznehmer deshalb der Stadt Köln vor Jahren an, wobei ca. 25 Prozent einfach an bestehende Antennen angebaut werden können. Dank dem Rückzug der Betreiber Mobilcom und Quam vom UMTS-Markt dürften sich die Zahlen nach unten korrigieren, doch t-mobile z.B. hat 2002 bereits 60 Anlagen aufgestellt. Weitere 50 folgen noch in diesem Jahr.

Macht Elektrosmog krank?

Wo diese Anlagen aufgestellt werden, handelt ein Mobilfunkbetreiber lediglich mit dem Grundstückseigner aus. Seit einer Selbstverpflichtungserklärung von 2001 jedoch teilen die Firmen die Orte den Kommunen vorher mit, die zumindest per Bauaufsichtsamt das ganze Vorhaben noch prüfen können. Die Stadt Köln will bei Gesprächen mit den Netzbetreibern erreichen, dass von »sensiblen Standorten« wie Schulen, Kindergärten oder Krankenhäusern abgesehen wird und bietet im Zweifelsfall auch städtische Gebäude als Alternativen an. Doch der Öffentlichkeit bleiben die genauen Standorte meist verborgen, und das aus gutem Grund. In Einzelfällen hatten aufmerksame BürgerInnen die Aufstellung solcher Sendeanlagen bemerkt und, teils erfolgreich, zu verhindern versucht. Eine erhöhte Sensibilität der BürgerInnen gegenüber den vermeintlichen Gefahren des so genannten Elektrosmogs stellen ExpertInnen wie Isabel Wilke vom Kölner Katalyse-Institut für Umweltforschung fest: »Viele BürgerInnen wollen wissen, ob Elektrosmog krank macht, manche glauben, es auch schon zu sein.«

Studien ohne Langzeituntersuchungen

Deshalb sind die Mobilfunkbetreiber auch in die Offensive getreten: t-mobile hatte vier unabhängige Institute mit der Auswertung von wissenschaftlichen Studien über eventuelle Gefahren des Mobilfunks beauftragt, die, so zumindest beteuert der regionale Pressebeauftragte Norbert Minwegen, »keinerlei Beweis dafür liefern, dass irgendeine Gesundheitsgefährdung bei den derzeitigen Grenzwerten besteht.« Dabei verschweigt t-mobile jedoch das Ergebnis einer der Studien des Ecolog-Institut aus Hannover. Die Experten wiesen darauf hin, dass gerade die Erforschung des Krebsrisikos, das sich bei Labortieren unter Elektrosmog-Einwirkung von hohen Dosen signifikant erhöhte, im Fall des Mobilfunks noch gar nicht aussagekräftig zu untersuchen ist. Schließlich sind Krebsschäden durch Umwelteinflüsse Langzeiterkrankungen, und so lange dauert die Handy-Manie noch gar nicht an. Die ältesten Forschungen auf diesem Gebiet jedoch aus Schweden und Finnland hatten bereits einen Zusammenhang zwischen Mobilfunk und Gehirnkrebs- und Leukämierisiko vermutet.

Höhere Grenzwerte in Italien und der Schweiz

In einigen europäischen Staaten gelten deshalb auch deutlich niedrigere Grenzwerte als in Deutschland, etwa in Italien und der Schweiz. Bei Technologiefolgen gilt jedoch in Deutschland der Grundsatz der Unschädlichkeitsvermutung, anders als z.B. bei Arzneimitteln. Solange also keine Gehirnkrebsepidemie bei Vieltelefonierern oder Sendemastnachbarn nachgewiesen werden kann, gilt die Technik als unbedenklich. »Nur hat man so über Radaranlagen auch lange Zeit geredet; da galt die Technik auch als unbedenklich, weil die Folgeschäden erst sehr spät deutlich wurden, und heute ist eine Krebserkrankung eine anerkannte Berufskrankheit«, warnt Isabel Wilke vom Katalyse-Institut.
»Unsere bisherigen GSM-Sendeanlagen unterschreiten in der Praxis die gesetzlichen Werte um den Faktor vier bis sechs«, betont Norbert Minwegen, Sprecher von t-mobile West und sicher ist auch bei UMTS-Anlagen eine Feldstärke deutlich unter den gesetzlichen Grenzwerten zu erwarten, doch auch diese Werte werden höher sein als z.B. die Empfehlungen von Ecolog. Statt dem amtlichen Grenzwert von 61,5 Volt/Meter fordern sie 2,0 V/m und behaupten, dass bei geschickter Auf- und Einstellung der Anlagen solche Werte technisch problemlos und allen heutigen und zukünftigen Mobilfunkanforderungen gewachsen seien.

Lukrative Strahlung

Weil die Versteigerung der UMTS-Lizenzen Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) satte 100 Mrd. Mark bescherte, sieht sich die Bundesregierung aber in einer Art Bringschuld, den Netzbetreibern bei der neuen Technik keine Steine in Form strengerer Grenzwerten in den Weg zu legen.
KölnerInnen mit Angst vor der Sendeantenne auf dem Dach lädt das Gesundheitsamt zu einem Runden Tisch, um Probleme gemeinsam mit den Netzbetreibern zu lösen. Dort erfahren besorgte Sendeanlagennachbarn jedoch auch unangenehme Wahrheiten: Die gesamte Belastung durch eine Sendeantenne in 50 Meter Entfernung pro Tag entspricht ungefähr einem 10-minütigen Handygespräch. Die größte Elektrosmog-Quelle haben die Leute demnach in der Jackentasche.

INFO
Das Gesundheitsamt der Stadt Köln berät bei Fragen zum Thema Mobilfunk und Gesundheitsschutz. Den Mobilfunkbeauftragten erreicht man unter Tel. 221-24017.
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