Noch ein einsamer Junge

Wohl kaum ein anderer Regisseur und Produzent hat das kollektive Filmgedächtnis mehr geprägt als Steven Spielberg. Nach Frühwerken wie »Indianer Jones« und »E.T.«, begann er in den 90er Jahren, Geschichte auf seine Weise zu verdauen (»Schindlers Liste», »Saving Private Ryan«). In den letzten Jahren kämpfte der hoch begabte Geschichtenerzähler mit zwei ambitionierten Sci-Fi-Prestigeprojekten: zunächst »Artificial Intelligence« und im vergangenen Jahr »Minority Report«. Wie schon oft lief er dabei Gefahr, seine Epen unter Tonnen von Spezialeffekten zu begraben und dabei die Geschichten zu vernachlässigen. Spielberg kennt diese Vorwürfe genau. Und so ist sein neuer Film durchaus als Reaktion zu verstehen: zurück zu den Geschichten.

»Catch Me If You Can« ist im Grunde ein ödipales Drama, eine Familiengeschichte. Frank Abagnale Jr. (als Milchbubi unterwegs: Leonardo DiCaprio) flüchtet in die große Stadt, als sein Vater (verletzlich, verzweifelt und immer noch nicht von dieser Welt: Christopher Walken) von seiner Mutter verlassen wird. So ist ein weiterer einsamer Junge im Spielbergschen Kosmos auf der Suche nach Liebe und Familie. Auf dem Weg dorthin fälscht und lügt er sich den Weg an die soziale Spitze und wird erst Copilot, dann Arzt und schließlich Rechtsanwalt. Und das alles vor seinem 21. Lebensjahr. Statt einer universitären Ausbildung lernt er durch Imitation: Dr. Kildare und Perry Mason sind seine Lehrer. Mit gefälschten Schecks ergaunert er sich Millionen von Dollars.

Spielberg verfolgt Franks Kurs innerhalb kurzweiliger 140 Minuten mit perfekt designten, warmen 60er-Jahre-Bildern, Henri-Mancini-inspiriertem Soundtrack und viel Wohlwollen: Abagnale Jr. ist eben ein Ladies’ Man, der mit einem Zwinkern, einem Lächeln und ohne Blutvergießen dem schlimmsten Schlamassel entkommt. Konstanten in seinem hektischen Leben bilden nur die Besuche bei seinem zusehends abrutschenden Vater und ein rituelles Telefongespräch mit F.B.I.-Agent Carl Hanratty an Weihnachten. Der Cop (ein melancholischer Tom Hanks) hetzt Abagnale weitaus weniger entspannt und zusehends besessen quer durch Amerika. Das Ende dieses Katz- und Mausspiels ist dann zwar absehbar, das mindert jedoch nicht den Spaß an dieser Fingerübung Spielbergs: Ein luftiger Gaunerfilm dieser Größenordnung mit Charme und Intelligenz ist und bleibt eine Rarität.

Catch Me If You Can (dto) USA 01, R: Steven Spielberg, D: Leonardo DiCaprio, Tom Hanks, Christopher Walken, 140 Min. Start: 30.1.