Verwirrspiel zwischen Kauf und Leasing

Um ihren maroden Haushalt aufzubessern, verfallen immer mehr Kommunen auf einen transatlantischen Steuertrick. Dessen Risiko allerdings ahnen viele

Verantwortliche nicht mal. Werner Rügemer erklärt das Prinzip »Cross Border Leasing« und sagt, warum in Köln US-amerikanische Straßenbahnen fahren.

Wer den patriotischen Kölner fragt, ob Karnevalisten, Friedensdemonstranten, Angestellten oder Schwarzfahrer, wem denn der Straßenbahnwagen der Linie 1 oder 7 gehöre, in den man gerade einsteigt, wird auf die natürlichste Weise, vielleicht ein bisschen erstaunt ob der blöden Frage eines vermutlichen Immis, die Antwort bekommen: »Natürlich der KVB«. Wenn der Immi zweifelnd guckt, wird ihm vielleicht noch gutmütig erklärt: »KVB – das heißt Kölner Verkehrsbetriebe«. Doch so schnell können sich patriotische Kölner und Kölnerinnen täuschen. Alle Kölner Straßenbahnwagen außer den allerältesten wie der Linie 5 nach Ossendorf, gehören nicht der KVB, sondern einem amerikanischen Trust mit Sitz im US-Bundesstaat Delaware.
1996 gab die KVB bekannt: »Leasing-Geschäft mit amerikanischem Trust: 101 Kölner Stadtbahnwagen vermietet«. Grundlage für den 27 Jahre laufenden Vertrag sei, dass der amerikanische Bundesstaat »den Kauf« ausländischer Wirtschaftsgüter steuerlich fördere. Dafür erhalte der US-Investor einen Steuervorteil. Davon gebe er der KVB einen Teil ab, in diesem Fall umgerechnet rund 12,5 Mio. Euro. Damit die KVB die Wagen weiter nutzen könne, habe man sie gleichzeitig zurückgemietet. Die KVB behauptet, sie selber bliebe Eigentümer der Straßenbahnwagen.

Kreative Buchführung

Dieses Verwirrspiel zwischen »Kauf« und »Leasing« gehört zu den Cross-Border-Verträgen. In den USA wurden solche Methoden der »kreativen Buchführung« Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts entwickelt. Seitdem gibt es das, was es »eigentlich« nicht geben kann: zwei Eigentümer desselben Wirtschaftsguts. Der US-Investor spart mit seinem neuen Eigentum Steuern, stellt es in seine Bilanz ein, steigert sein Kreditvolumen und sein Rating und treibt an der Börse seinen Aktienwert in die Höhe. Gleichzeitig soll dasselbe Wirtschaftsgut der deutschen Stadt gehören.
Die KVB teilt weder mit, wie der amerikanische Trust heißt, noch dass er in Delaware sitzt und wie die Teilhaber heißen. Warum eigentlich, wenn es sich, wie behauptet, um eine legale Operation handelte? Wieso verzichtet der Investor darauf, für seine Wohltat von rund 12,5 Millionen Euro gelobt zu werden? Das mag damit zusammenhängen, dass der Trust seinen Sitz in Wilmington hat. Das Städtchen im US-Bundesstaat Delaware hat eine vergleichbare Rolle wie Liechtenstein in Europa.

Eigentümer unbekannt

Ein Trust in Wilmington ist der Stiftung nach Liechtensteiner Recht nachgebildet. Wie beispielsweise bei der Stiftung »Norfolk«, in der die CDU unter Helmut Kohl unerkannt mehrere Millionen Mark versteckte, so steht auch bei einem Trust in Delaware nur der Treuhänder im Handelsregister, nicht aber der Eigentümer. Es gibt keine Publizitätspflicht, keine Steuern, und der Trust kann außerhalb der sonst geltenden Konkursverfahren schnell aufgelöst, verkauft oder umgebaut werden. So werden auch US-Bundesgesetze unterlaufen, die es verbieten, solchen Scheingeschäften wie kommunalem Cross Border Leasing Steuervorteile zu gewähren.
Immerhin gab die KVB bekannt, dass es sich um »eine komplizierte internationale Transaktion« handelt, an der mit KVB und Trust »insgesamt zwölf Parteien« beteiligt sind. Wer diese Parteien sind, wurde nicht gesagt, außer dass die Westdeutsche Landesbank (WestLB) »der entscheidende Vertragspartner« sei. Diffus wurde gemurmelt, die Transaktion sei deshalb so kompliziert, um »allen Beteiligten die notwendigen Sicherheiten gewährleisten zu können«. Welche Sicherheiten dies sind und welchen Unsicherheiten sie vorbeugen sollen, blieb im Dunkeln. Wie aus anderen Verträgen bekannt ist, handelt es sich um Bürgschaften der Stadt Köln und um dingliche Sicherheiten, um dem US-Investor für die gesamte Laufzeit den Zugriff auf sein Kölner Eigentum zu verschaffen, wenn die KVB ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommt. Das bedeutet zum Beispiel, dass die KVB in den nächsten 27 Jahren keine billigeren Straßenbahnwagen kaufen darf, selbst wenn es diese auf dem Markt gäbe.

Löwenanteil für die Banken

Wie die WestLB beim KVB-Deal spielen die öffentlich-rechtlichen Landesbanken eine entscheidende Rolle im Cross-Border-Geschäft, so die NordLB und die Bayerische und Sächsische Landesbank. Sie sind auch an den anderen Kölner Verträgen beteiligt, die nach 1996 abgeschlossen wurden, und übernehmen die lukrative Funktion der »Erfüllungsübernahmebanken«. Sie vergeben Kredite an den Investor und wickeln die Leasingraten ab. Dabei erhöhen die Landesbanken durch die Rückbindung an die laut Grundgesetz staatlich abgesicherten Kommunen ihr eigenes Kreditvolumen und sparen ebenfalls Steuern hier in Deutschland. So bekommen sie Ersatz für die staatliche Gewährsträgerhaftung, die ihnen durch EU-Recht abgenommen wird. Die Städte spielen nur eine untergeordnete Rolle. Sie werden mit einem Peanuts-Anteil, »Barwertvorteil« genannt, abgespeist. Wenn Oscar-Preise für die besten Cross-Border-Deals vergeben würden, bekämen die Städte die Auszeichnung für die schlechteste Nebenrolle.

Ratsmitglieder bleiben außen vor

Der Kölner Stadtrat hat in nichtöffentlicher Sitzung drei weitere Cross Border Leasings beschlossen, übrigens ohne dass die Ratsmitglieder jemals ein Exemplar eines Originalvertrages gesehen hätten. Auch der Name der beiden Trusts, die von der Deutschen Bank im Jahr 2000 für zwei Milliardenverträge über Kanalisation und vier Klärwerke gegründet wurden, und die die unmittelbaren Vertragspartner der Stadt sind, wurde den Ratsmitgliedern nicht mitgeteilt. Diese beiden Trusts haben ihren Sitz auf den Cayman Islands, einer karibischen Finanz-Oase, ein Außenposten der Wall Street. Sie werden außenpolitisch von den USA vertreten, gegenwärtig also durch US-Außenminister Powell.
Für diese Verträge flossen etwa 40 Millionen Euro in die Stadtkasse. 2002 beschloss der Stadtrat einen Vertrag mit einem ebenfalls ungenannten Trust über die Messehallen. Als ein Investor, der an dem Trust beteiligt ist, wurde John Hancock Life Insurance genannt. Der Barwertvorteil beträgt hier 35 Millionen Dollar.
Die Verträge laufen 100 Jahre, mit einer »Beendigungsoption« nach 25 Jahren. Risiken wurden in der Ratsvorlage zu den Messehallen zart, aber unmissverständlich angedeutet: »MesseKöln/Stadt Köln tragen das Risiko, dass es während der Laufzeit zu Gesetzesänderungen kommt, die negative Auswir- kungen für den Darlehensgeber, den Investor und die Erfüllungsübernehmer haben könnten« – das ist ein weites, interpretationsoffenes Feld, in dem einseitig US-Recht gilt. Der Gerichtsstand ist nicht Köln, sondern New York. Wenn die Stadt nach 25 Jahren ihre Beendigungsoption nicht wahrnimmt, fällt das Eigentum ganz an den Trust.

Schweigen bei der KVB

Städte in ganz Europa haben seit 1995 solche Cross Border Leasings abgeschlossen, in Deutschland sind es etwa 150. Das geschah bisher weitgehend ohne Wissen der Öffentlichkeit. So hat auch die KVB in aller Stille im letzten Jahr zwei weitere Verträge über Straßenbahnen abgeschlossen. Die führt die Deutsche Bank in ihrer Referenzliste auf, die als Werbung an die Kämmerer anderer Städte verteilt wird. Die KVB schweigt dazu. Sie will sich nicht einmal dazu äußern, ob die Verträge abgeschlossen wurden. Der Landschaftsverband Rheinland (LVR) hat angekündigt, dass er bis Ende 2003 seine Gebäude und Grundstücke in Deutz (außer dem Hauptgebäude) verleasen will. Wer ist der Investor? »Kein Kommentar.« Unrechtsbewusstsein, Risiken? »Kann ich nicht erkennen«, so der Pressesprecher.
Risiken drohen auch von anderer Seite. Dutzende Kölner haben schon im Februar 2002 Widerspruch gegen den Abwasser-Gebührenbescheid eingelegt. Denn wenn die Stadt mit Cross Border Leasing dem US-Trust das Recht auf Abschreibung überlassen habe, könne sie nicht selbst noch einmal die Abschreibung in die Gebühren einrechnen. Die Abschreibung macht beim Abwasser 35 Prozent aus, insgesamt sind das im Stadthaushalt jährlich 65 Millionen Euro. Die Stadt hat bisher auf den Widerspruch nicht reagiert und sucht hektisch nach juristischem Beistand. Wenn die Stadt diesen Betrag an die Gebührenzahler zurückzahlen muss, ist das mehr als der »Barwertvorteil«.