Eigenurin-Therapie

Extrem-Komödie: »Jackass – The Movie« von Jeff Tremaine

Vorhang auf für das Bedenkenträger-Feuilleton: Der verantwortungsloseste Film, der jemals von einem großen Filmstudio veröffentlicht wurde! Der Untergang der westlichen Zivilisation! Ein Fanal der kaum verhohlenen Unmenschlichkeit, verpackt ins Comedy-Format! Abgehakt und zu den Akten gelegt? Dem Phänomen der Erfolgsserie »Jackass« auf MTV, die jetzt ohne große Modifikationen u.a. von Produzent Spike Jonze (siehe Interview S. 60) für die Leinwand adaptiert wurde, ist so wohl kaum beizukommen.

Mit Videoaufnahmen dokumentiert eine Gruppe amerikanischer Twens ihre Auffassung von Entertainment: pubertäre Jungswitze, ohne Hemd, mit runtergelassener Hose, immer schwankend zwischen Homophobie und Homoerotik. Ohne Plot, ohne Charaktere, ohne Sets und ohne erkennbaren Spannungsbogen zelebrieren Frontmann Jimmy Knoxville und andere Stuntmen/Profiskateboarder eine Form physischer Comedy, die auf eine lange Tradition zurückgreift: Buster Keaton, Dick und Doof und heute Jackie Chan operieren mit ähnlichen Konzepten, denen oft die simple Schadenfreude zu Grunde liegt. In den kurzen Videos von »Jackass« ist jedoch alles authentisch. So zum Beispiel, wenn jemand auf Schnee uriniert, um ihn danach zu verspeisen. Oder wenn sich Jimmy Knoxville mit einem Gewehr in den Bauch schießen lässt. Oder jemand mit einem Trampolin in einen Deckenventilator springt. Ekelig? Oft. Irgendwie roh? Immer. In einer konsequenten Umsetzung der Ideen vom »Fight-Club« wirkt der Schmerz als Katalysator für nicht ausgelebte Anarchophantasien und unterdrückte Gewaltpotenziale. »Lust for life«, wie ein sich in Glasscherben wälzender Iggy Pop einst schrie.

Der Zuschauer wird dabei zum Verbündeten, dessen Haltung ebenfalls zwischen Sadismus und Masochismus schwankt. Es ist eine moderne Variante der römischen »Brot und Spiele«, wenn sich jemand ein Spielzeugauto in seinen Hintern schiebt und dann zum Arzt geht. Dieser rät ihm nach seiner Diagnose flüsternd: »Erzählen Sie niemandem davon. Es wissen jetzt schon zu viele Bescheid: Sie und ich, und das sind zu viele!« Die Protagonisten sind gleichzeitig die Christen und die Löwen, die Opfer und die Jäger. Die Kamera schwenkt dabei zuverlässig am Ende jeder Einlage zur grölenden Zuschauerschaft. So wird das befreiende Lachen legitimiert.

Abseits von solchen Überlegungen lässt es sich auch ganz einfach sagen: Ein paar amerikanische Jungs haben das, was sie lieben, zu einem Lifestyle gemacht. Und es macht Spaß, ihnen dabei zuzuschauen, auch wenn man sich manchmal über den eigenen Humor wundern muss.

Jackass: The Movie (dto) USA 02, R: Jeff Tremaine, mit: Johnny Knoxville, Bam Margera, Chris Pontius, 84 Min. Start: 27.2.