Auf Pfützen treibende Tote

Mit Mark Jenkins reist auch ein Szene-Promi an

Ein Mann liegt bäuchlings auf dem Boden vor einem Graffiti, in der farbverschmierten Hand eine Sprühdose, im Rücken ein Messer. Das jähe Ende einer illegalen Aktion? Nein, eine Werk des amerikanischen Künstlers Mark Jenkins mit dem Titel »The Last Graffiti«. »Eine Wand zu bemalen, das spricht nur dieselbe visuelle Sprache wie Werbung. Urbane Interventionen sind eine neue Art, wie man sich ausdrücken und Leute beeinflussen kann«, so der 1970 Geborene. Jenkins selbst ist eine Art Bildhauer. Er fertigt Skulpturen, nicht aus Stein, sondern aus Plastikklebeband — wie eben jenen Graffiti-Sprüher. »Die Künstler, die mich inspiriert haben, sind vor allem im Bereich der Fine Art angesiedelt. Aber da ich meine Kunst ja ohne Erlaubnis in der Öffentlichkeit anbringe, fühle ich mich von der Haltung her dem Graffiti nahe.«

 

Jenkins ist in Köln zu Besuch, um Arbeiten für das Cityleaks-Festival vorzubereiten. Bereits im vergangenen Jahr war er mit einer Solo-Show in der Galerie Ruttkowski68 vertreten. »Marks Arbeiten haben uns schon lange beschäftigt und fasziniert«, so die Galeristen Laura Posdziech und Nils Müller. Jenkins Figuren sind hyperrealistisch, er formt sie nach realen Gegen-ständen, häufig seinem eigenen Körper. Jenkins hat kein Kunststudium absolviert, ähnlich wie viele Künstler der Urban Art. Bei einem Museumsbesuch stolperte er 2001 über den spanischen Künstler Juan Muñoz. »Zu sehen, wie Muñoz Skulpturen  in einem architektonischen Zusammenhang nutzt, das hat mich begeistert. Ich hatte keine Möglichkeiten, Abdrücke anzufertigen, deswegen habe ich begonnen, mit Plastikklebeband zu experimentieren.«

 

Die Entscheidung, im öffentlichen Raum zu arbeiten, fällte Jenkins aus recht pragmatischen Gründen. »Ich bin Autodidakt, daher gab es für mich zunächst keine Möglichkeit, meine Kunst zu zeigen. Museen sind zumeist etablierten Künstlern vorbehalten. Der öffentliche Raum dagegen ist ja für jeden zugänglich.« Außerdem reizt in die Interaktion mit einem zufälligen Publikum. »Die -Passanten werden zum Teil des Projekts, es entstehen kleine Geschichten.«

 

Fünf solcher Geschichten wird Jenkins nun in Köln erzählen, er hat Werkgruppen für verschiedene Plätze im Belgischen Viertel und in Ehrenfeld konzipiert, darunter eine sechsbrüstige Büste für den Wäscheladen Taha. Manche Skulpturen werden leicht erhöht platziert sein, es lohnt sich also den Blick zu heben — und zu schärfen, für die Veränderbarkeit des urbanen Raums. »Einmal habe ich Pferde um einen Kreisverkehr in Washington herum aufgestellt, so dass er beim Vorbeifahren aussah wie ein Karussell. Mit meinen Arbeiten möchte ich zeigen, dass unsere Realität mitgestaltbar ist. So zeige ich, dass die Art, wie wir die Dinge akzeptiert haben, nicht unbedingt die ist, wie es sein muss.«