Doppelt eingereicht hält besser

Der Kölner SPD-Politiker Marc Jan Eumann war einer der wenigen Sozialdemokraten, die den Kölner Müllskandal politisch überlebten. Jetzt könnte er der erste sein, der über eine Plagiats­affäre sein Amt verliert

Er gehört zu den Aushängeschildern der Kölner SPD: Marc Jan Eumann ist sympathisch, offen, diskussionsfreudig, ein Junge aus dem Arbeiterbezirk Mülheim. Einer, der seinem Veedel auch nach dem Aufstieg in die höheren Sphären der Landespolitik treu geblieben ist. Dazu noch jemand, der sich auf der Höhe der Zeit bewegt. Eumann ist kein sozial-demokratischer Industrieromantiker, der den alten Zeiten nachweint, als noch die Schlote der Mülheimer Fabriken qualmten, sondern einer, der sich seit Jahren Zukunftsthemen zugewandt hat: Medien, Kreativwirtschaft. Und Eumann hat es in diesem Bereich weit gebracht hat. Natürlich nicht durch Arbeit in oder für Medien, sondern in dem Bereich der Politik, der sich mit ihnen und ihrer Steuerung beschäftigt. Eumann gehört als Medienstaatssekretär im NRW-Ministerium für Bundesange-legenheiten, Europa und Medien der rot-grünen Landesregierung an. Darüber hinaus ist er aber auch Vorsitzender der Medienkommission beim SPD-Parteivorstand in Berlin und Mitglied im ZDF-Fernsehrat. Eumann ist der mächtigste Medienpolitiker der SPD. Dabei hätte seine Karriere schon zu Ende sein können, noch bevor sie richtig startete. Marc Jan Eumann, gerade in den NRW-Landtag gewählt, gehörte zu den Kölner SPD-Politikern, die am Rande in den Kölner Müllskandal zur Jahrhundert-wende verwickelt waren. Auch er hatte eine fingierte Spendenquittung angenommen. Eumann ging erst damit offen um, als es nicht mehr anders ging. Er erklärte sich zum Opfer der Machenschaften von Norbert Rüther, dem damaligen Kölner Landtagsabgeordneten und SPD-Fraktionsvor-sitzenden, der später zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde. 

 

Doch nun, gut zehn Jahre nach dem Quittungskandal, könnte Eumanns Karriere vor dem Aus stehen. 2011 ist Eumann von der Tech-nischen Universität Dortmund zum Doktor promoviert worden. Seine Arbeit »Der Deutsche Presse-Dienst — Nachrichtenagentur in der britischen Zone 1945-1949« erhielt die Gesamtnote summa cum laude — mit höchstem Lob. Besser geht‘s nicht. 

 

Doch dann sollte es keine zwei Jahre dauern, bis Eumann und sein Doktorvater Horst Pöttker Probleme mit der Doktorarbeit bekamen. Anfang des Jahres bekundete der Medienwissenschaftler Arnulf Kutsch öffentlich Zweifel an der Arbeit. Eumanns Doktorarbeit sei kaum mehr als eine erweiterte Version seiner 1991 geschriebenen Magisterarbeit — und darauf habe Eumann nicht im hinreichenden Maße hingewiesen, so Kutsch. Der Vorwurf des Selbstplagiats steht seither im Raum. Premiere für die SPD: Eumann steht als erster prominenter Sozialdemokrat im -Zentrum eines Plagiatsskandals.

 

Die TU Dortmund reagierte. Eine Kommission zur Sicherstellung guter wissenschaftlicher Praxis prüfte den Fall, und ein externes Gut-achten wurde eingeholt. Das Ergebnis gab die Universität am 19. Juli bekannt:  »Auf Grundlage dieser Unterlagen hat das Rektorat wissenschaftliches Fehlverhalten festgestellt und beschlossen, die Angelegenheit zuständigkeitshalber dem Fakultätsrat der Fakultät Kulturwissenschaften weiterzuleiten, damit dieser ein Verfahren zur Aberkennung des Doktorgrads einleitet.«

 

Für die TU Dortmund steht bei dem Fall Eumann viel auf dem Spiel. Hier geht es nicht nur darum, die wissenschaftliche Reputation zu ver-teidigen, sondern auch, den unausgesprochenen Verdacht der Käuflichkeit aus dem Weg zu räumen. Denn nur kurz nachdem Eumann promoviert wurde, konnte sich dessen Fachbereich Journalistik über eine Zuwendung des  Landes freuen. 200.000 Euro für das Projekt »Initiative Lokaljournalismus in Nordrhein-Westfalen« gingen nach Dortmund. Besonders pikant: Zum Team der Initiative gehört auch Professor Horst Pöttker — Eumanns Doktorvater.

 

Auf den Beschluss der TU, die Aberkennung des Doktorgrads einzuleiten, reagierte Eumann nach Gutsherrenart: Seine Sicht der Dinge gab Eumann nicht persönlich weiter, sondern ließ sie über die Pressestelle der Staatskanzlei verkünden — obwohl die Vorwürfe ja nicht den Staatssekretär Eumann betrafen, sondern den Privatmann. »Erstens liegt bereits begrifflich und inhaltlich kein Plagiat vor, da ich mich nicht mit ›fremden Federn‹ geschmückt habe. Zweitens bin ich mit der Existenz meiner zugrunde liegenden Magisterarbeit von Beginn des Promotionsverfahrens an offen umgegangen, was mein Co-Doktorvater mehrfach ausdrücklich bestätigt hat — auch öffentlich. Der vollständige Titel meiner Magisterarbeit lag meinem Doktorvater, dem Promotionsausschuss und dem Dekanat vor«, heißt es dort.

 

Der Co-Doktorvater Eumanns,  Ulrich Pätzold, sprang Eumann tatsächlich mehrfach bei. In seinem Blog teilte er schon im Januar mit: -»Dieses Mal verrennt sich die Meute — Marc Jan Eumann gehört nicht in die Schusslinie«. Er sei an der »Entstehung der Dissertation [...] nicht unwesentlich beteiligt. Ich wusste, dass Marc Jan Eumann bereits in der Magisterarbeit über dieses Thema geforscht hatte.«

 

Eumanns Doktorvater Pöttker bestreitet indes, von der Magisterarbeit gewusst zu haben. Der Rheinischen Post sagte er, Eumann habe zwar in einer Danksagung am Anfang seiner Dissertation Quellen erwähnt, die er für seine Arbeit im Magisterstudium — allerdings nur teilweise — verwendet habe. Dies habe aber nicht darauf schließen lassen, dass die Magisterarbeit sich mit demselben Thema wie die Dissertation befasste. Auch habe Eumann diese Danksagung erst kurz vor Veröffentlichung der Dissertation angefügt, also Monate nach der mündlichen Doktorprüfung. »Ich hätte von der Existenz der Magisterarbeit zum selben Thema also wissen können, aber ich habe es nicht gewusst und bin auch nicht aktiv darüber informiert worden.« Eumann habe den Titel seiner Magisterarbeit, der auf das identische Thema hinweist, weder im Literaturverzeichnis seiner Dissertation noch im Lebenslauf für das Promotionsverfahren erwähnt. »Ich bin enttäuscht«, so Pöttker.

 

Sollte auch der Fakultätsrat der TU Dortmund, voraussichtlich im September, zu der Entscheidung kommen, ihm die Promotion zu entziehen, könnte dies das vorläufige Ende von Eumanns Karriere bedeuten. Stimmen aus Kreisen der Koalition meinen, dass er als Staatssekretär untragbar wäre. Schon machen Gerüchte die Runde, Eumann könnte nach Europa abgeschoben werden. Eine politische Zukunft in NRW hätte er auf absehbare Zeit so wenig wie ein Landtagsmandat: Das gab Eumann auf, als er 2010 Staatssekretär wurde.

 

Auf Anfrage teilte die Pressestelle des NRW-Ministeriums für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien mit, »dass sich Staatssekretär Dr. Marc Jan Eumann zum laufenden Verfahren an der Universität Dortmund nicht äußert. Dies gilt auch für darüber hinaus gehende Spekulationen«. Gut möglich, dass Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) mit einer Entscheidung bis nach der Bundestagswahl wartet. Derweil wird schon über einen Nachfolger spekuliert. Als möglicher Kandidat gilt Michael Schneider, Leiter des Referats M4 der Staatskanzlei, zuständig für Medien und Presserecht. Dort wünscht man sich offenbar einen Verwaltungsmann als Nachfolger für den Medienpolitiker Eumann.