Outsider im Mittelpunkt

Die diesjährige Venedig-Biennale entfacht eine neue Diskussion um die Outsider Art: Ein Gespräch mit den Kölner Galeristinnen Susanne Zander und Nicole Delmes

Seit 25 Jahren vertritt Susanne Zan-der die so genannten Outsider. Die Galeristin kümmert sich — seit 2005 gemeinsam mit ihrer Partnerin Nicole Delmes — um die Werke von Autodidakten, Einzelgängern und Sonderlingen, die meist gar nicht für den Kunstmarkt entstanden. Mit Claudia Dichter und Udo Kittelmann kuratierte Zander 1999 die viel beachtete Outsider-Ausstellung »Obsessions« im Kölnischen Kunst-verein, war mitverantwortlich für die Art-Brut-Sonderschauen der Kunst Köln-Messe, an der jüngsten Ausstellungsreihe »Secret Universe« im Hamburger Bahnhof wirkte sie beratend mit. 2013 trifft sich das 25-jährige Ga-lerie-Jubiläum mit einem Groß-ereignis der Kunstwelt: Auf der 55. Biennale di Venezia zeigt Kurator Massimiliano Gioni in der zentralen Schau »Il Palazzo Enciclopedico« — neben den Werken eta-blierter Künstler — wichtige Werke der Outsider Art.

 

 

Auf der Biennale in Venedig trifft man dieses Jahr auf Künstler wie Morton Bartlett, den Sie selbst in der Galerie schon gezeigt haben. Passen die überhaupt in diesen Kontext?

 

Zander: Mittlerweile hat die Out-sider Art ihren festen Platz im Kunstkontext gefunden. Museen für zeitgenössische Kunst fangen an, sie in ihre Sammlungen aufzunehmen, auch die Sammler unserer Galerie sind keine Art-Brut-Sammler mehr, sondern in der Regel sammeln sie zeitgenössische Kunst und dazu Outsider. Die Ausstellung von Gioni entspricht diesem Zeitgeist. 

 

 

Was meinen Sie damit?

 

Zander: Man lernt im Moment, dass es nicht mehr darum geht, ob ein Künstler eine Ausbildung hat und von einer Akademie kommt. Es wird nach dem Authentischen gesucht. Das in der Out-sider Art zu finden ist. Deshalb passen diese Künstler sehr gut auf die Biennale.

 

 

Was hat Massimiliano Gioni richtig gemacht?

 

Zander: Gioni hat diese Ausstellung mit einem unglaublichen Fachwissen kuratiert. Da sind Künstler wie Peter Fritz dabei, bei denen ich mich gewundert habe, woher er sie kennt. Außerdem hat er gänzlich auf Arbeiten aus therapeutischen Einrichtungen verzichtet. Was wir hier in der Galerie, oder was Gioni auf der Biennale zeigt, ist etwas ganz anderes. 

 

Delmes: Auf der Biennale sehen wir all das sehr dicht beieinander. Die Puppen von Morton Bartlett stehen in diesem dunklen Raum, dann geht man weiter und kommt zu Fischli?/?Weiss?... Das ist ein sehr homogenes Umfeld. Man sieht viele Positionen, die eine Verbindungen schaffen: Da ist etwa Robert Crumb, den man weder dem einen noch dem anderen zuordnen würde. Aber als Werk ist es wichtig.

 

Trägt diese Biennale dazu bei, dass wir uns von einer Einteilung in In- und Outsider in der Kunst entfernen?

 

Delmes: Ja, das hoffe ich. Es gab lange Zeit keine Worte dafür. Die Zurückhaltung gegenüber der -Outsider Art kam daher, dass es nicht so leicht einzuordnen war und nicht vorkam in der Lehre.

 

 

Wo kann das hinführen? 

 

Zander: Am Ende spielt es keine Rolle mehr, wer der Künstler ist. Was zählt ist das Werk. Sandra Danicke fragt in ihrem Artikel im Art Magazin zu Recht: Was ist denn, wenn wir das Werk eines Thomas Hirschhorn bei einer Wohnungsauflösung finden — ist das dann Outsider Art?

 

 

Kritische Stimmen sagen, wenn die Outsider auf die Biennale kommen, kann sich der Markt diese auch noch einverleiben.

 

Zander: Der Weg war umgekehrt: Es waren die Galerien und Sammler, die sich lange Zeit um diese Werke gekümmert haben. Gerade in der Outsider Art gibt es Künstler wie Augustin Lesage, Henry Drager oder Emma Kunz, für die enorme Preise gezahlt werden. Es gibt schon sehr lange einen soliden, starken Markt. Aber durch die Biennale wird diese Kunst — Gott sei Dank — für eine breitere Öffentlichkeit aufgewertet. Ich glaube, die Leute lernen durch so eine Ausstellung besser hinzugucken.

 

Und die öffentlichen Sammlungen ziehen nach und kaufen Werke an?...

 

Delmes: Wenn Sammlungen im-mer nur dem Gehypten nachspüren, sehen sie irgendwann alle ziemlich ähnlich aus. Es besteht die Möglich-keit, offener darüber nachzudenken, was ins Museum muss und was nicht. Muss es international abgesegnet sein, kann eine gute Sammlung nur dann eine gute Sammlung sein, wenn sie alles Bekannte abdeckt? Es stecken große Möglichkeiten darin, wenn man die Augen weiter aufmacht und mehr zulässt.

 

 

Dann geht es aber nicht mehr nur um Outsider Art. 

 

Zander: Es geht um viel mehr. Deshalb zeigt die Biennale ja nicht nur Outsider. Die Qualität und auch die Suche nach den Urformen der Kunst bringen die verschiedenen Positionen zusammen.