Durch die Firewall

Zwei Punkte, die unser Chinabild prägen: der sagenhafte Aufstieg des Landes zur Wirtschaftsgroßmacht einerseits, die Unfreiheit seiner Bürger andererseits. Über diese Themen liest man täglich in den Medien, doch »bei all den vielen Informationen gibt es wenig Kenntnis über die Hintergründe«, meint Tienchie Martin-Liao, Präsidentin des unabhängigen chinesischen PEN-Zentrums und Mitkuratorin des Festivals »Ungehört: China im kritischen Dialog«, einer Kooperation der Akademie der Künste der Welt und des Literaturhaus Köln. Die Veranstaltung möchte das Verständnis für die modernen sozio-ökologischen Probleme und Diskurse des Landes fördern. Dazu sind alle Interessierten eingeladen — egal ob mit Vorkenntnissen oder ohne.

 

Bei der Auswahl der Konferenz-teilnehmer auf chinesischer Seite achtete Martin-Liao nicht nur auf ihre Kompetenz, sondern auch auf ihren politischen Status — mit der Folge, dass die Teilnahme eines Kandidaten noch unsicher ist: »Dissidenten gelten als gefährlich und erhalten selten Ausreisegenehmigungen.« 

 

Unter dem Titel »Blogger durchbrechen die Firewall« beginnt das Festival mit einer Diskussion über die Konfrontation mit Zensur und die Rolle von sozialen Medien in der chinesischen Öffentlichkeit. Danach stellt der Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels, Liao Yiwu, seine dichterisch-musikalische Auseinandersetzung mit seinem Heimatland vor. Die Frage, in welcher Form Tabu-Themen wie das Tianan--men-Massaker oder die Kultur-revolution Teil der chinesischen Erinnerungskultur sind, eröffnet den Samstag. Anschließend wird über das Frauenbild in China diskutiert: Gibt es eine chinesische Frauenbewegung? Den Abschluss bildet die Veranstaltung »Literarische Stimmen«. Eine Autorin und zwei Autoren stellen ihre Texte vor und diskutieren anschlie-ßend die komplexe Beziehung zwischen Politik und Literatur in China.

 

»Es ist eine offene Diskussion«, beschreibt Martin-Liao die Idee hinter den Veranstaltungen. Für die Zukunft erhofft sie sich, dass China in Sachen Vergangenheitsbewältigung und damit auch in Hinsicht auf Gegenwart und Zukunft ähnlich offen vorgeht wie Deutschland, wo die Verbrechen der Nazis oder des Unrechtsregimes der DDR problematisiert wurden und werden. »In China ist so etwas nicht möglich, weil immer noch die kommunistische Partei regiert.«