Stadtrevue liest

Lange galt Mahmud Doulatabadi als »epischer Geschichtenerzähler sozialkritischer Färbung, bis 2009 »Der Colonel« erschien: ein dunkles Destillat der jüngeren Geschichte Irans, abgebildet in einer Familie, reduziert auf vierundzwanzig Stunden meisterhaften Leidens. Nach diesem modernen Meisterwerk zeigt der Geschichtenerzähler nun, dass er auch postmodern kann: In einer europäischen Metropole umherirrend erinnert sich der alternde Gheiss an die (beinahe) transzendentale Liebe, die ihn mit der jungen Nilufar verband. Und daran, wie ihre Seelenverwandschaft von Neid und verkrusteten Gesellschaftsstrukturen vergiftet wurde.

 

Das klingt etwas pathetisch, ist es auch. Kitschig niemals. Doulatabadi zerreibt seinen Antihelden auf der Suche nach der verlorenen Liebe, seiner selbst, und einem mysteriösen Mann mit einem Notizbuch (auch er selbst?). Der Originaltitel des Romans lautet »Soluk« — ein Begriff aus der iranischen Mystik, der soviel bedeutet wie: der spirituelle Weg gen Erleuchtung.

 

Unionsverlag 2013, 180 Seiten, 21,95 €