Die Kamera am Tatort

Das Forum für Fotografie zeigt Robin Maddocks Serie »Our kids are going to hell«

Es gibt dieses eine Foto, in dem sich die gesamte Intention des britischen Fotografen Robin Maddock zu manifestieren scheint: Es zeigt eine typisch englische Küchenzeile aus dunklem Holz und mit grünen Fliesen, mehr oder weniger nüchtern und grafisch fotografiert. Gestört wird dieser ordentlich-häusliche Eindruck von den beiden schweren Polizeistiefeln, die auf der Arbeitsplatte zwischen Becken, Abtropfgitter und Spülmittel balancieren.

 

Es ist kein gewalttätiges Foto, aber es ist auf seine Art brutal und absurd, stellt es doch das plötzliche Eindringen der Staatsgewalt in die Privatsphäre der Bürger dar. Gleichzeitig  demonstriert es, dass Polizeiarbeit nicht nur darin besteht, Türen einzutreten und Kriminelle festzunehmen, sondern vor allem aus Routine wie der Spurensuche.

 

Drei Jahre lang hat Robin Maddock regelmäßig die Einsatzkommandos der Londoner Polizei bei ihren nächtlichen Razzien in Hackney begleitet. Dabei  hatte er uneingeschränkten Zugang zum Einsatzgeschehen. Pressefotografen würden sich die Finger lecken und mit actiongeladenen Fotos in den Redaktionen auftrumpfen. Doch Maddock geht es nicht um die Sensationslust. Ihn interessiert das Alltägliche der Arbeit, mit den subtilen Momenten, in denen sich Polizeibeamte und Verhaftete gegenüber stehen und man sich vielleicht fragt, ob die Rollen der beiden auch vertauscht sein könnten, wären ihre Leben nur ein wenig anders verlaufen. Das Van-Gogh-Poster an der Wand eines Tatortes könnte jedenfalls auch in dem Haus der Polizisten hängen, die gerade das Sofa verschieben und nach Drogen suchen.

 

Entsprechend vielschichtig und ineinander verwoben präsentiert sich die gesamte Ausstellung, die bis November im Forum für Fotografie in der Schönhauser Straße zu sehen ist. Wie Beweis-fotos auf der Polizeiwache wurden die Abzüge ohne Rahmen an die Wand genagelt — allerdings so geschickt platziert, dass Linien und Formen häufig ineinander übergehen und Verknüpfungen zum nächsten Foto schaffen. Die sind als Einzelbilder häufig nicht sehr stark — viele Situationen hat Maddock gut erkannt, aber nicht immer »auf den Punkt« fotografiert —, doch in der Gesamtansicht bietet die Serie »Our kids are going to hell« dann doch den präzisen Blick des unabhängigen Begleiters, der keine Partei ergreift.